piwik no script img

Bestimmt Mercedes, wie Berlin aussehen wird?

■ Zoff um das Wettbewerbsergebnis am Potsdamer Platz/ Mercedes ist gegen „Posemuckeler Niveau“, und der Stadtentwicklungssenator hält dagegen/ Hochhausfanatiker guckten in die Röhre, dafür dürfen Autos über den Platz brausen

Berlin (taz) — „Die Investoren werden meinen hölzernen Kopf schon noch kennenlernen“, zürnte Volker Hassemer (CDU), Berlins Senator für Stadtentwicklung, auf dem gestrigen Empfang im Filmhaus Esplanade, wo derzeit die Ergebnisse des Wettbewerbs zum Potsdamer Platz präsentiert werden. Zwischen dem Berliner Senat und den Investoren am Potsdamer Platz — Daimler- Benz, Sony, Asea Brown Bowery und Hertie — tobt seit einer Woche der offene Kampf, wer über die Gestaltung der wichtigsten freien Fläche im Zentrum der Stadt entscheiden darf. Nachdem die Jury den 1.Preis an den vergleichsweise konventionellen Entwurf der Münchener Architekten Heinz Hilmer und Christoph Sattler vergab, schmollen die Investoren, allen voran Daimler- Benz, obwohl Hilmar/Sattler die traditionelle Berliner Traufhöhe von 22 Metern um 14 Meter überschritten. Nicht weltstädtisch sei dieser Entwurf, sondern zwischen „Berlin und Posemuckel“ angesiedelt, klagte Matthias Kleinert, Generalbevollmächtigter von Mercedes, und dann, deutlicher werdend: „Hatten die Entscheider das Kalkül, man könne die Investoren zu Baumassenverzichten drängen?“ Und Co-Investor Sony, Mieter des Esplanade, ließ gar heimlich über Nacht und zum Mißfallen von Hassemer den von den Investoren bezahlten Konkurrenzentwurf des Londoner Architekten Richard Rogers in das Filmhaus schaffen. Dessen Modell besteht aus vier tortenstückförmigen, ununterbrochenen Reihen gen außen ansteigender Gebäude, die von je einem Hochhaus gekrönt werden. Da dürfte auch der Hase im Pfeffer liegen. Der Berliner Mercedes-Chef Rudolph Breitschwert favoritiert bekanntermaßen ein Hochhaus. Einige Wettbewerbsteilnehmer hatten denn auch entsprechende Entwürfe eingebracht, darunter Hans Kollhoff mit fünf 288 Meter hohen Klötzen, die zudem über die Grundstücksgrenzen hinausgewuchert wären. Auch eine seltsame Koalition von Berlinern hätte gerne Hochhäuser auf dem einstigen Herzen Berlins gesehen. Dazu gehören konservative Möchtegern-Metropolitaner, die nach 28 Jahren Mauer mit einem nicht mehr abbaubaren Minderwertigkeitskomplex behaftet sind, genauso wie jungdynamische Architekten, die in ihrem Leben noch keine fünf Minuten über die sozialen Folgen ihres Tuns nachzudenken gezwungen waren. Einigen Wettbewerbsteilnehmern war kein Mittel zu schade, um ihre Hochhäuser zu verkaufen: So stellte das Büro Ungers ein zart wirkendes Modell mit Hochhäusern aus Plexiglas vor — ob darin später plexigläserne Menschen auf plexigläsernen Fußböden an plexigläsernen Schreibtischen arbeiten, darf man bezweifeln. Kollhoff tingelte vor der Juryentscheidung durch fast sämtliche Berliner Medien, um seinen Entwurf zu verkaufen. Und Jurymitglied Rem Koolhaas beschimpfte nach dem Ergebnis den Berliner Senatsbaudirktor und entschiedenen Hochhausgegner Hans Stimmann (SPD) als ungehobelt und inkompetent.

Der hitzige Umgangston ist kein Wunder, geht es doch bei dieser Milliardeninvestition um Architektenhonorare in einer Größenordnung von insgesamt bis zu 100 Millionen Mark. Und daß am Potsdamer Platz mit dieser Vehemenz um die Hochhausfrage gestritten wird, war ebenfalls zu erwarten. Denn eine Entscheidung für Hochhäuser dort würde auch woanders Großbauten präjudizieren, schließlich haben Investoren einen Rechtsanspruch auf Gleichbehandlung. Für Hochhäuser etwa am Alexanderplatz, in der Kreuzberger Yorckstraße, in Ku'damm-Nähe und in unmittelbarer taz-Nachbarschaft liegen bereits fertige Pläne auf den Behördentischen.

Nun handelte es sich bei dem Verfahren nicht um einen Architektenwettbewerb — der folgt erst noch — sondern darum, wie die Baumassen verteilt werden. Vorwürfe an Hilmar/Sattler, der Entwurf sei nicht differenziert genug, sind daher fehl am Platz. Auch die Masse des umbauten Raumes — also der wesentliche Faktor, der sich beim Investor renditeträchtig auswirkt — ist bei Hilmar/Sattler nicht weniger wuchtig ausgefallen als bei Rogers und anderen. Das ist auch gar nicht anders möglich, hatte der damalige rot- grüne Senat Daimler-Benz doch schon per Kaufvertrag eine Geschoßflächenzahl von 4,5 zugestanden, ein Verfahren, das an vorauseilendem Gehorsam kaum mehr zu überbieten ist. Zur Veranschaulichung: die Hochhaus-Trabantenstädte vom Schlag des märkischen Viertels haben eine GFZ von 1,5 bis 2,5, sind also nur halb so dicht bebaut. Dafür bezahlte Daimler auch nur schlappe 1.505 Mark für den Quadratmeter. Sony legte ein Jahr später um die 5.000 Mark für den Quadratmeter auf den Tisch und lag damit immer noch deutlich unter dem Marktpreis. Der liegt inzwischen bei 25.000 Mark den Quadratmeter, so daß inzwischen die EG prüft, ob das Daimler-Geschäft womöglich eine versteckte Subvention war. Die Untertürkheimer — deren neuerbaute Firmenzentrale auch nicht gerade an Manhattan erinnert — versprachen damals während der umstrittenen Kaufverhandlungen felsenfest, sich an die Ergebnisse des Senatswettbewerbs halten zu wollen. Daran scheint sich Kleinert heute nicht mehr zu erinnern. Ein weiterer Knackpunkt am Potsdamer Platz ist der Verkehr. Während Hilmar/Sattler wenig zeitgemäß eine Kreuzung zweier breiter Durchgangsstraßen mitten auf dem Platz vorsehen und sonst gar nichts, verbannt Rogers den Verkehr komplett unter die Erde. Dieses Konzept hat den Haken, daß damit höchstwahrscheinlich ungeheure Kosten auf das Land Berlin zukommen, da die Verkehrsinfrastruktur in der Regel von der öffentlichen Hand bezahlt wird. Und schließlich ist noch nicht ausgestanden, wer den für den Potsdamer Platz nötigen Bebauungsplan aufstellen wird. Die dafür zuständigen Baustadträte von Tiergarten und Mitte haben schon angekündigt, sich gegen Übernahmebestrebungen des Senats zu wehren. Eva Schweitzer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen