: Bestehende Gesetze reichen aus
■ Börsenverein des Deutschen Buchhandels kritisiert Wiedereinführung des §130 a des Strafgesetzbuches im Rahmen der neuen „Terrorismusgesetze“ / Strafbestimmungen könnten auch auf Krimis angewendet werden
Den § 130 a, der die Verbreitung und Ausstellung von Schriften unter Strafe stellen will, „die geeignet sind, als Anleitung zu einer rechtswidrigen Tat zu dienen“, gab es schon einmal in den 70er Jahren. Zwar hatte er damals kaum praktische Bedeutung, die Neufassung sei jedoch - so der Börsenverein - verschärft worden. Der Vereins–Justiziar Franz– Wilhelm Peter konstruierte der taz gegenüber ein Beispiel für die Problematik: Wenn zukünftig eine Fachpublikation über das Sprengen von Stahlkonstruktionen im Schaufenster einer Buchhandlung ausgestellt werde und im Umfeld dieser Publikation Schriften gegen die Atomkraft ausgestellt sind, sei dies bereits strafbar. Verleger und Buchhändler befürchten darüber hinaus, die neue Strafbestimmung könne auch auf Krimi–Literatur angewendet werden. Was deutsche Gerichte mit vagen Gesetzesbestimmungen alles anstellen können, will der Börsenverein bereits beim Jugendschutz erlebt haben. Dort gebe es eine Rechtspraxis, die sich im wesentlichen nach dem Geschmack und der persönlichen Anschauung des jeweiligen Staatsanwalts richte: „Wenn heute schon Henry Miller auf dem Index steht und sich das Bundesverwaltungsgericht demnächst mit Josefine Mutzenbacher beschäftigen muß, dann weiß man doch auch bei dem neuen Paragraphen nicht, wo das anfangen und aufhören wird.“ In einem Brief an die Vorsitzenden aller Bundestagsfraktionen hat der Börsenverein jetzt seine Bedenken gegen den §130 a vorgetragen. Darin heißt es unter anderem: „Da hier die Meinungsfreiheit betroffen ist, hat der Börsenverein als Gesamtvertretung der Buchverleger und Buchhändler in der Bundesrepublik daran ein vitales Interesse. Angesichts der Eile des Gesetzgebungsverfahrens konnten wir unsere Beratungen hierzu nicht mit der sonst üblichen Gründlichkeit durchführen, möchten Ihnen jedoch gleichwohl unsere grundsätzlichen Bedenken bekanntgeben und Sie bitten, diese bei ihren weiteren Entscheidungen zu berücksichtigen. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels bejaht die Verpflichtung aller demokratischen Kräfte unseres Landes, den Terrorismus wirksam zu bekämpfen. Er verurteilt die Anwendung von Gewalt und Terror zur Durchsetzung politischer Ziele. Er sieht jedoch mit Sorge, daß im Zuge dieser Bestrebungen Strafbestimmungen geschaffen werden, die zur Sicherung des Gemeinschaftsfriedens nicht erforderlich, aber geeignet sind, das Grundrecht der freien Meinungsäußerung einzuschränken. Es wird keinesfalls bestritten, daß auch die Verbreitung von Schriften und Büchern zu Straftaten anleiten kann. Allerdings meinen wir, daß das geltende Recht ausreichende Handhaben bietet, gegen solche Veröffentlichungen strafrechtlich vorzugehen. Die Änderungen gegenüber dem alten Gesetz erscheinen uns im besonderen Maße Gefahren für die Meinungsfreiheit in sich zu tragen, wenn etwa die Verbreitung auch völlig neutraler Schriften strafbar sein soll, falls nur durch das Umfeld der Eindruck erweckt werden könnte, es solle dadurch jemand zu strafbaren Handlungen verleitet werden. (...) Mit freundlichen Grüßen Günther Christiansen (Vorsitzender)“ mtm
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