Bestechungsskandal im Handball: Cooles Kiel
Anstiftung zur Falschaussage, noch höhere Zahlungen an Schiedsrichter: Die Manipulationsvorwürfe gegen den Handball-Bundesligisten THW Kiel mehren sich. Doch das Team zeigt sich unbeeindruckt.
Ein sportliches Fest lag hinter ihnen. Die Profis des THW Kiel hatten erneut ein Kapitel für das Handball-Lehrbuch produziert bei diesem 31:27 (17:11)-Sieg gegen Croatia Zagreb, der ihnen nach dem 28:28 im Hinspiel das Halbfinale der Champions League bescherte. Ein überragend haltender Torwart Thierry Omeyer, eine Abwehr, die fast unüberwindlich war, und auch die Offensive hatte die über 10.000 Fans in der ausverkauften Arena zu großen Begeisterungsstürmen hingerissen.
Der Rekordmeister bricht in dieser Saison weiterhin alle Rekorde: 25 Bundesliga-Siege in Folge, die Halbfinals im nationalen Pokal und in der Champions League souverän erreicht. Und das trotz dieser Schlagzeilen in der Manipulationsaffäre, mit denen sich der THW Kiel seit nun fünf Wochen auseinandersetzen muss. Je lauter die Vorwürfe gegen die Kieler Vereinsführung werden, desto glanzvoller agiert die Mannschaft. "Das Spielfeld ist der einzige Ort, an dem wir nicht darüber sprechen", erklärt Welthandballer Nikola Karabatic das Paradox.
Der Vorwurf, der THW habe seit 2000 mindestens zehn Spiele in der Champions League mittels Schiedsrichterbestechung manipuliert, wurde am Wochenende erneut präzisiert. Laut Nachrichtenmagazin Spiegel soll ein Zeuge ausgesagt haben, THW-Geschäftsführer Uwe Schwenker habe am 30. Juli 2007 bei der Feier auf der Finca des HSV-Präsidenten Andreas Rudolph erklärt, der Champions-League-Sieg 2007 habe insgesamt 120.000 Euro gekostet. Bislang war von 92.000 Euro für das Halbfinale und Finale die Rede. Zudem soll der Vater des THW-Kreisläufers Igor Anic, Zeljko Anic, Anfang März 2009 zu einer Falschaussage angestiftet worden sein. Er sei gebeten worden, auf Anfrage zu bestätigen, dass er im Sommer 2007 eine Zahlung in Höhe von 36.000 Euro erhalten habe, erklärte Anic gegenüber der Staatsanwaltschaft. Die Kieler Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Schwenker wegen des Verdachts der Untreue, gegen den Ex-THW-Coach Noka Serdarusic wegen des Verdachts der Beihilfe der Untreue. Beide bestreiten die Vorwürfe.
Dass Anfang März in Ciudad Real eine Brandrede Schwenkers vor der Mannschaft gegeben habe, wie der Spiegel berichtet, bestritten die meisten Akteure. Schwenker habe im Beisein des THW-Gesellschafters Georg Wegner die Lage erklärt und angeboten, jederzeit auftauchende Fragen zu beantworten, berichtete Kapitän Lövgren. "Er hat aus seiner Sicht die Situation erklärt. Es war während des Abendbrots."
Offenkundig allerdings ist, dass wichtige Sponsoren und Kommanditisten des Klubs die bisherige Passivität der fünf THW-Gesellschafter nicht weiter tolerieren und sich um Klarheit bemühen. Es gebe "keinen Zwist zwischen Beirat und Gesellschaftern", versicherte zwar THW-Beirat Ulrich Rüther, Vorstandsvorsitzender des langjährigen Sponsors Provinzial. Dass jedoch der Beirat am Freitag Konsequenzen aus der Affäre gefordert hatte, bestätigte Rüther gegenüber dem TV-Sender Eurosport. "Wir wollen die sportliche und wirtschaftliche Zukunft sichern und dementsprechend Strukturen schaffen." Die Rede ist von einem Kogeschäftsführer, der Schwenker für den kaufmännischen Part zur Seite gestellt werden soll.
Bis spätestens Dienstag wollen die Gesellschafter eine Entscheidung über die Zukunft des Klubs fällen. Die Unregelmäßigkeiten in der Buchhaltung des Klubs, die offensichtlich hervorgehen aus den Akten der Staatsanwaltschaft, die der THW mittlerweile einsehen durfte, sollen gravierend sein und die Verantwortlichen geschockt haben. Auch eine Beurlaubung von Geschäftsführer Schwenker, der im Zentrum der Anschuldigungen steht, scheint vor diesem Hintergrund nicht mehr undenkbar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?