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"Best of"-Wikipedia auf Papier"Das Medium ist nicht entscheidend"

Der Wikipedia-Geschäftsführer im Interview zu den 50.000 Zusammenfassungen der 2007/08 am meisten recherchierten Suchbegriffe bei Wikipedia, die nun in einer Printausgabe erscheinen.

Ein erfolgreiches Lexikon in Buchform? Das Label könnte es Wikipedia möglich machen. Bild: dpa
Julia Niemann
Interview von Julia Niemann

Mit dem "Wikipedia-Lexikon in einem Band" erscheint im Herbst ein Print-Nachschlagewerk, das auf der Online-Enzyklopädie basiert. Der Verlag, das Bertelsmann Lexikon Institut, übernimmt allerdings nicht einfach die Online-Einträge um ein klassisches A-Z-Nachschlagewerk zu produzieren, sondern hat ein, wie er es nennt, "lexikalisches Jahrbuch" konzipiert - und profitiert damit von der etablierten Anerkennung Wikipedias. Die 50.000 2007/2008 am häufigsten recherchierten Suchbegriffe werden in einer Kurzfassung aufgeführt - und das ohne rechtliche Probleme mit den Wikipedia-Autoren, wie der Wikipedia-Geschäftsführer Arne Klempert der taz erklärte.

taz: Wenn alle Texte des Wikipedia-Lexikons unter einer freien Lizenz stehen und weiterverwedet werden dürfen, heißt das, dass sich jeder die Einträge nehmen kann, die er will und daraus ein Buch machen kann?

Arne Klempert: Ja, genau das heißt es. Und genau das ist das wichtigste Prinzip "freier Lizenzen". Sie stellen ein Angebot der Urheber an die Allgemeinheit dar, ihre Werke zu nutzen und zu verbreiten - ausdrücklich auch zu kommerziellen Zwecken. Bedingung ist, dass auch von diesen Inhalten abgeleitete Werke wieder unter der selben Lizenz stehen, also frei sein müssen. Deshalb ist auch die Möglichkeit, mit freien Inhalten reich zu werden, eher begrenzt. Exklusivität gibt es nicht.

taz: Diesmal, sagen Sie, fühlen sich die Autoren eher geschmeichelt, als dass es, wie vor zwei Jahren, zu einem Konflikt mit dem Verlag kommt. Was ist diesmal anders?

Klempert: Die Diskussion über das Projekt WP 1.0 verlief damals aus verschiedenen Gründen nicht optimal. Das Argument der "massiven Unkenntnis" über das Wesen freier Lizenzen kann ich zumindest aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehen. Denn der selbe Verlag hat später die Reihe WikiPress mit Inhalten aus der Wikipedia herausgebracht - unseres Wissens ist es bei diesem Projekt nicht zu Konflikten mit Autoren gekommen. Vielleicht hat die Community in der Zwischenzeit auch etwas dazugelernt.

taz: Es scheint, als wäre dieses Buch ein Projekt des Bertelsmann Lexikon Instituts, die einfach die erfolgreichsten Einträge veröffentlichen, was wohl das geringst mögliche Risiko birgt. 2006 sollten zusammen mit der Community 100 Bände herausgebracht werden. Ist die Community zu uneins, um zusammen ein großes Buchprojekt zu stemmen?

Klempert: Die beiden Projekte lassen sich schwer miteinander vergleichen. Das Konzept der 100bändigen Komplettausgabe wäre ohne die aktive und umfangreiche Mithilfe der Community nicht denkbar gewesen. Die Autorengemeinschaft konnte aber offenbar nicht ausreichend von der Idee eines über mehrere Jahre erscheinenden Mammut-Werkes überzeugt werden, um sich aktiv daran zu beteiligen. Das Bertelsmann Lexikon Institut hat einen Weg gefunden, weitgehend ohne eine solche Unterstützung auszukommen. Im Gegenteil: Wo es ihr sinnvoll erscheint, wird die Lexikon-Redaktion Änderungen am Inhalt vornehmen. Diese Verbesserungen können dann wieder in die Wikipedia zurückfließen.

taz: Können Sie ein paar Beispiele der "Best of"-Sammlung geben, die jetzt veröffentlicht wird?

Klempert: Dr. House, Andrea Ypsilanti, Barack Obama, Mark Medlock...

taz: Die Encyklopädia Britannica versucht online Leser mit neuen digitalen Angeboten zu gewinnen und der Brockhaus setzt jetzt auch ganz auf ein kostenloses Online-Angebot um mit Wikipedia mithalten zu können - und die jüngere Zielgruppe zu erreichen. Gedruckte Wikipedia-Artikel stehen im direkten Gegensatz dazu, oder nicht?

Klempert: Wir denken nicht, dass das Medium hier das entscheidende Kriterium ist. Natürlich wäre eine kollaborativ erstellte und so umfangreiche Enzyklopädie wie Wikipedia offline nicht denkbar, aber damit hat sich das Buch als Medium ja nicht automatisch erledigt. Entscheidend ist, für einen Inhalt das jeweils richtige Medium zu finden - oder für ein Medium den richtigen Inhalt. Das "Wikipedia-Lexikon in einem Band" könnte ein solcher Fall sein. Wir würden uns freuen, wenn mehr Unternehmen die Einladung annehmen würden, mit den freien Inhalten der Wikipedia zu experimentieren.

taz: Wenn sich das Buch als "lexikalisches Jahrbuch" versteht, kann man doch aber bei Erfolg wahrscheinlich im nächsten Jahr mit einem Folgeband rechnen?

Klempert: Wenn das Projekt erfolgreich wird, dann wird es vermutlich auch im kommenden Jahr eine Ausgabe geben.

taz: Bei 50.000 Stichwörtern und Begriffen in einem Band müssen die Einträge aber ganz schön gekürzt worden sein - es heißt, sie gäben "die zentralen, den Online-Artikel zusammenfassenden bzw. einleitenden Informationen wieder". Inwiefern haben die Einträge denn dann noch den Wikipedia Lexikon-Charakter?

Klempert: Es wird sich in der Regel um den ersten Absatz der Wikipedia-Artikel handeln, sofern dieser einen guten Überblick über das Thema vermittelt (was schon immer Ziel der Wikipedianer war). Insofern wird es sich zum ganz überwiegenden Teil um originäre Wikipedia-Inhalte handeln. Trotz notwendiger Beschränkungen bei Stichwörtern und Länge wird es sich also durchaus um Wikipedia-Inhalte handeln. Und auch die Auswahl der Artikel wird das Wikipedia-Lexikon deutlich von anderen Einbändern unterscheidbar und als Wikipedia-Lexikon erkennbar machen.

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