Besetzung: Grüne Gartenträume zerplatzt
Drei Tage lang war das Grundstück hinter dem Bethanien besetzt. Gestern drohte das Bezirksamt mit der Räumung. Die Besetzer verlassen den Garten daraufhin freiweilig. Streit über weitere Nutzung
Schutthaufen sind da. Und Sandberge. Zwischen den Betonquadern blühen Scharfgarbe, blauer Natternkopf und - überraschenderweise Erdbeeren. Das Beet ist mal von Arbeitern des Gartenbauamtes angelegt worden. Am Samstag hat eine Gruppe von Frauen und Männern den eingezäunten Garten hinter dem Nordflügel des Bethanien besetzt. Am Eingang flattert ein großes gelbes Transparent mit der Aufschrift "Mediaspree versenken". Nachdem in den ersten Tagen keine Polizei auftauchte, wurden immer mehr Zelte auf dem Platz aufgebaut. Mit einer Räumung rechnete hier so schnell niemand. "Es scheint alles ganz relaxed zu sein", sagte ein junger Mann, der sich als Clown namens Peter ausgab.
Das war Dienstagmittag. Wenige Stunden später zeigte sich, wie sehr der friedliche Eindruck getrogen hatte. Um 17.30 Uhr erreichte die Besetzer die Aufforderung des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg, den Platz bis 18 Uhr zu räumen. "Die 24. Einsatzhundertschaft ist schon ausgerückt", rief ein Mann aufgeregt bei der taz an. Wenig später begaben sich 30 bis 50 Besetzer freiwillig vor das Gartentor, vorher hatten sie ihre Sachen in Sicherheit gebracht. Ob es noch zu einem Polizeieinsatz kam, war bis Redaktionsschluss offen. Für den Abend war eine Demo durch Kreuzberg geplant.
Auf Nachfrage bestätigte Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) am Abend nur so viel: Das Bezirksamt sei bei der Sitzung am gestrigen Dienstagmittag zu dem Schluss gekommen, dass die Besetzung des Grundstücks "nicht hinnehmbar" sei. "Das heißt, dass wir den Zustand dort aktuell beenden werden." Daran ließ Schulz keinen Zweifel: Eine neue Wagenburg oder ein Freiraum für Anhänger der linksautonomen Szene werde auf dem Gelände nicht geduldet.
Am Dienstagmittag hatten die Besetzer noch im Garten zu einer Pressekonferenz geladen. Dabei zeigte sich schnell, dass es sich um zwei Gruppen mit unterschiedlichen Nutzungsvorstellungen handelt. Die einen sagten, sie wollten in dem Garten politische Veranstaltungen gegen Gentrifizierung, Sexismus, Rassismus und ähnliches veranstalten. Die anderen wollen einen multikulturellen Garten betreiben, der offen für alle sein soll. Alle zeigten sich aber guter Dinge, beide Vorstellungen unter einen Hut zu bringen. In ihrer Kritik an den Vorstellungen des Bezirksamts für den Garten waren sich aber beide Gruppen vollkommen einig. Laut Schulz sieht die Planung vor, dass der Garten für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll. "Dazu gibt es eine intensive Bürgerbeteiligung." Die Besetzer beschrieben die Vorstellungen des Amts so: "Die Büsche und der Zaun sollen weggerissen, Wege planiert und Laternen aufgestellt werden. Auf so einer Liegewiese will sich doch kein Mensch sonnen."
Bürgermeister Schulz begründete die Räumungsandrohung auch damit, dass auf dem Grundstück - "20 Zentimeter unter der Oberfläche" - eine Gasdruckleitung verlaufe. Schon deshalb könne er eine weitere Nutzung des Geländes nicht tolerieren. Die Besetzer hielten das für vorgeschoben. "Dann hätte hier doch auch kein Bauschutt gelagert werden dürfen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!