Besetzung des Bremer Integrationsrats: Bremerhaven ist nicht integrierbar

Seit Monaten sind die Bremerhavener Plätze im Integrationsrat vakant. Nun hat die Sozialdeputation Ayhan Gündogdu von der Ditib-Gemeinde abgelehnt.

Demonstranten mit türkischen Fahnen.

Türkische Nationalisten passen aus Sicht der Sozialdeputation nicht in den Integrationsrat Foto: dpa

BREMEN taz | Die Besetzung der Bremerhavener Plätze in Bremens Rat für Integration (BRI) stockt. Im Februar hatte eine Intervention des Verfassungsschutzes den ersten Anlauf zunichte gemacht. Jetzt meldet die staatliche Deputation für Soziales und Integration Zweifel an der Liste an, die der Magistrat nach Bremen geschickt hat.

Genauer: An einem der acht Namen. „Der Magistrat Bremerhaven wird gebeten, statt Herrn Ayhan Gündogdu ein anderes Mitglied für den Bremer Rat zu benennen“, so hat die Deputation beschlossen. Gündogdu, der bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen war, ist stellvertretender Vorsitzender der Bremerhavener Ditib-Gemeinde.

„Ein wenig überraschend kam die Ablehnung schon“, sagt der Magistratssprecher Volker Heigenmooser. Hintergrund der Auseinandersetzung scheint der Konflikt zwischen Türken und Kurden zu sein. Der wird in Bremerhaven in besonderer Schärfe ausgetragen, erst recht seit die Truppen Recep Tayyip Erdoğans in Syrien einmarschiert sind, in die Region der Stadt Afrin, welche Kurden zuvor von der Terrormiliz des Islamischen Staats befreit hatten.

Die nationalistische Gemeinde in Bremerhaven ist zahlenmäßig stark – und gut in wichtigen Gruppierungen der Stadt verankert. So hatten Mitte Februar vor der Großen Kirche 600 Menschen mit einer Demo den Angriff auf Afrin begrüßt, darunter auch der Bürgerschaftsabgeordnete Turhal Özdal (CDU).

Gündogdu hat dagegen ein SPD-Parteibuch. Und bei dem Aufmarsch im Februar ist er nicht gesehen worden. Dennoch halten ihn viele für einen Repräsentanten des türkischen Regimes. Der Grund: Seine Arbeit für Ditib, den von der Türkei gegründeten und in den meisten Bundesländern auch gesteuerten Moscheenträgerverband.

Die Verfassungs-schützer halten den kurdisch-deutschen Verein für gefährlich

Zwar hat er sich im Land Bremen per Satzung formal vom unmittelbaren Zugriff des türkischen Staates auf Personalauswahl und Theologie gelöst – eine Vorbedingung für den 2013 unterzeichneten Bremer Staatsvertrag mit muslimischen Gemeinden. Doch Insider beobachten, dass seit Jahren der Einfluss des Erdoğan-Regimes wieder forciert wird und wächst.

„Aus meiner Sicht würde ein Ditib-Funktionär nicht zur Integration beitragen“, sagt der Linkenabgeordnete Cindi Tuncel zu dem Vorgang. „Ich freue mich, dass die Sozialdeputation da so deutlich Nein gesagt hat.“

Der Ersatzkandidat für den Ersatzkandidaten

Tatsächlich ist Gündogdu ohnehin nur der Ersatzkandidat für den Ersatzkandidaten für den gewählten Bewerber Cem Cadirci gewesen. Der hatte die drittmeisten Stimmen auf einer Basisversammlung im Arbeitskreis Migration des Nord-Süd-Forums erhalten, einem Bremerhavener Bündnis verschiedener Nichtregierungsorganisationen. Doch die Wahl hatte den Leiter des Bremer Verfassungsschutzes, Dierk Schittkowski auf den Plan gerufen: Zwar hat sich der kurdisch-deutsche Gemeinschaftsverein nichts zuschulden kommen lassen, aber die Verfassungsschützer halten ihn für gefährlich. Und Cardirci ist Mitglied.

Dem Magistrat genügte das, den Namen von der Liste zu streichen – und durch den Vorsitzenden der Ditib, Fatih Kurutlu, zu ersetzen, der 2016 die Wiedereinführung der Todesstrafe gefordert hatte, denn, „so will es das Volk.“

Gegen Kurutlu hätte der Verfassungsschutz keine Bedenken, schließlich ist er SPD-Mitglied. Allerdings sitzt er für die im Stadtrat und kann deshalb nicht in den BRI einziehen. Stattdessen benannte der Magistrat seinen Ditib-Stellvertreter, Gündogdu – gegen den die Deputation ihr Veto eingelegt hat. „Erforderlich ist jetzt ein Klärungsprozess“, sagt Magistratssprecher Heigenmooser. „Wir rätseln aber noch, wie der aussehen kann – und wer hier mit wem verhandelt.“

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