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Besetztes Flüchtlingshaus in Kreuzberg„Plötzlich waren die Autonomen weg“

Der Kreuzberger Stadtrat Hans Panhoff (Grüne) setzt auf Verhandlungen und nicht auf Räumung.

Am Freitag sollen die Gespräche in der besetzten Schule beginnen. Bild: DPA
Interview von Plutonia Plarre

taz: Herr Panhoff, Ihnen wird vorgeworfen, menschenunwürdige Zustände in der besetzten Schule zuzulassen. Stimmt das?

Hans Panhoff: Ich werde ein bisschen grantig, wenn ich das höre. Wir haben die Leute da nicht reingeschickt. Wir haben die Besetzung als Winterhilfe aus humanitären Gründen geduldet. Da hat sich eine Eigendynamik entwickelt, und wir sind nun die Buhmänner.

Sie könnten dafür sorgen, dass die Infrastruktur funktioniert.

Ich kenne die Zustände, ich bin öfter im Haus. Ich betone nochmals: Das ist ein besetztes Haus. Trotzdem haben wir das Allernötigste gemacht. Und das, obwohl die Autonomen erklärt hatten: Wir kümmern uns um alles.

Wo sind die Autonomen jetzt?

Als die Arbeit losging, waren die weg. Wir haben Müllcontainer organisiert. Wir haben mehrfach die Wasser- und Elektroleitungen repariert. Wir haben den ganzen Winter die Heizung laufen lassen, damit die Leute nicht erfrieren. Wir haben die Feuerschutztüren verschlossen, nachdem die Dachräume aufgebrochen worden waren. Es ist brandgefährlich, wenn sich dort oben Leute aufhalten. Die Forderung nach Duschen in jedem Aufgang und jedem Flügel halte ich aber für mehr als übertrieben.

Wie geht es jetzt weiter?

Ich versuche seit Juli, mit den Leuten zu reden. Jedes Mal scheitert es. Erst war Ramadan, dann waren Demos, dann war meine Ansprechpartnerin im Haus weg. Jetzt ist sie wieder da.

Am Freitag nehmen Sie am Plenum in der Schule teil. Was haben Sie vor?

Ich möchte für einen Einstieg in Verhandlungen werben. Hoffentlich wird rauskommen, dass die Leute ein Komitee bilden, das alle Gruppen im Haus repräsentiert. Und dass sie das Komitee mandatieren, mit uns als Staat zu reden. Ich werde sagen, dass ich von der BVV den Auftrag habe, aus dem Haus ein Projektehaus zu machen. Auch Flüchtlingsprojekte seien dort vorgesehen. Dazu kann eine Erstanlaufstelle und eine Gesundheitsberatung auch für Leute sans papiers gehören, vielleicht auch eine Notübernachtung. Wir möchten die Projekte Zug um Zug in das Haus reinbringen.

Was heißt das für die Besetzer?

Wir haben immer gesagt: Wir wollen keine polizeiliche Räumung. Ich gehe davon aus, dass die Gespräche noch über den Winter hinaus dauern werden. Aber so, wie es jetzt ist, kann man das Haus nicht lassen. Und wir müssen auch dringend über Geld sprechen.

INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE

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12 Kommentare

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  • Ein Projekthaus ist eine sehr gute Idee. Schön, dass das Bezirksamt sich ständig für Menschen einsetzt, die Hilfe brauchen.

  • Viele internationale Zeitungen berichten bereits über Flüchtlinge in Berlin. Wir müssen unserem weltweiten Ruf, eines Rechtsstaates mit der besonderen Achtung und Wahrung der Menschenrechte, immer gerecht sein.

    • @Stefan Mustermann:

      Nein, in erster Linie müssen wir den Anforderungen der steuerzahlenden Bürger und der arbeitsplatzschaffenden Wirtschaft gerecht werden.

       

      Wir brauchen Leistungsanforderungskriterien an Einwanderer und nicht deren Bedürfniskriterien als Basis zur Entscheidung über deren Verbleib in unserem Land.

  • Das wichtigste Gesetz unseres Landes ist und bleibt der Artikel 1 im Grundgesetz. „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt...“ Die Würde des Menschen stellt den obersten Verfassungsgrundsatz dar, an dem folglich alle staatliche Gewalt ihr Handeln auszurichten hat. Sie ist daher Maßstab für Legislative, Exekutive und Judikative. Der Staat hat alles zu unterlassen, was die Menschenwürde beeinträchtigen könnte.

     

    Somit wäre eine Räumung der Schule per Gesetz unzulässig bzw. rechtswidrig.

  • L
    Leserin55

    Hans Panhoff: .. Wir haben die Leute da nicht reingeschickt. Wir haben die Besetzung als Winterhilfe aus humanitären Gründen geduldet...

     

    Damit ist er verantwortlich und mitschuldig!!!

  • @D-N-

     

    "Ein mehr differenzierteres Denken hätte ich den Lesern von Taz-Online zugesprochen."

     

    Die Aussage ""Wo sind die Autonomen jetzt?

    Als die Arbeit losging, waren die weg."" stammt vom Grünen Stadtrat.

     

    Wie soll den Ihrer Meinung nach das differenzierte Denken zu der Aussage aussehen?

     

    Dass der Grüne Stadtrat den autonomen antifaschistischen Freiheitskämpfern einfach zu "fascho" war, um mit ihm gemeinsam den Flüchtlingen zu helfen?

  • F
    Fuzzy

    War denn was Anderes von Autonomen zu erwarten? Mich wundert es nicht. Solange es lautstark, militant und linksfaschistisch gegen den sie alimentierenden Staat und Gesellschaft, speziell gegen Polizei, Bundeswehr, "das Kapital" und alles "Rechte" geht sind sie da: Mit Chaos, Zerstörung, Körperverletzung. Die Asylbewerber sind dabei doch nur ein Mittel zum Zweck um Randale zu machen unter dem angeblichen Deckmantel der Toleranz. Automone sind ungefähr so tolerant wie die strammsten Rechten. Beide tolerieren nur ein kleines gesellschaftliches Spektrum, der Rest wird mit Gewalt bekämpft. Und wie ernst und menschlich die Hilfe ist wenn angepackt werden muss sehen wir hier: Der Staat muss es nun doch wieder richten. Ich verstehe nicht, wie man in diesen selbstverliebten Linksfaschisten tolerante oder gar hilfsbereite Menschen vermuten kann. Aber das ist dem Grünen Stadtrat ja nun wohl auch aufgegangen.

  • K
    Kimme

    "Trotzdem haben wir das Allernötigste gemacht. Das Allernötigste ist aber nicht immer genug, um für menschenwürdige Lebensbedingungen zu sorgen.

     

    "Als die Arbeit losging, waren die weg." Das hätte der Bezirksregierung doch bekannt sein müssen. Immer wenn es um konstruktive Arbeit geht, sehen die Autonomen zu, dass sie Land gewinnen. Aus Krawalltourismus ist dort nicht viel los. Entgegen den konstuktiv arbeitenden Links-Bündnissen und bestimmten Teilen der Antifa ist deren Gelaber dorch nur heiße Luft - vor allen Dingen wenn es um Arbeit geht.

  • D
    d-n-

    Ich beziehe mich hier auf die 2 ersten Kommentare: Lasst ihr euch wirklich dazu hinreißen, hier rechte Ressentiments zu reproduzieren?! Ein mehr differenzierteres Denken hätte ich den Lesern von Taz-Online zugesprochen. Meine Güte. Schade und traurig ist sowas.

    • R
      Reproduktionsfurcht
      @d-n-:

      Ich plädiere dafür Worte wie "Räume", "reproduzieren" und "dekonstruieren" mal links liegen zu lassen. Das hilft höchstens dabei abzulesen, wer an welcher hochschule sein "differenziertes denken" entwickelt hat

  • DE
    Der Erkenner

    "Wir haben Müllcontainer organisiert. Wir haben mehrfach die Wasser- und Elektroleitungen repariert. Wir haben den ganzen Winter die Heizung laufen lassen"

     

    Also hat der Bezirk einiges getan, nur als eine Gegenleistung kommen sollte, kam nix.

     

    In meinem Verständnis nennt man sowas Undankbarkeit.

  • "Wo sind die Autonomen jetzt?

    Als die Arbeit losging, waren die weg."

     

    Ich könnte mich kugeln. Was für eine Erkenntnis, na ja für einen Grünen Stadtrat aus Kreuzberg ist das wohl wirklich eine Bewusstseinserweiterung.

     

    Bitte noch mehr von obigen Selbstverständlichkeiten. Einfach zum Piepen.