Beschwerde gegen TÜV Rheinland: Mitschuld an Rana Plaza?
TÜV-Prüfer sollen am eingestürzten Fabrikgebäude in Bangladesch Mängel übersehen haben. Anwälte legen Beschwerde bei der OECD ein.
Ein Mitarbeiter von Tüv Rheinland India hatte die Textilfirma Phantom Apparels im Komplex Rana Plaza im Juni 2012 besucht. Sein Bericht, der der taz vorliegt, stammt vom Dezember desselben Jahres. Vier Monate später stürzte das Gebäude ein, weil es unter anderem der Last der schweren Maschinen nicht standhielt.
Anwältin Miriam Saage-Maaß vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) vertritt Hinterbliebene und Opfer der Tragödie. Sie hat die Beschwerde nun bei der Nationalen Kontaktstelle der OECD im Bundeswirtschaftsministerium eingereicht. Dort können Konflikte um Menschenrechte in globalen Konzernen geschlichtet werden. Urteile oder Sanktionen gegen Konzerne kann die Kontaktstelle nicht verhängen.
Bei seiner Fabrikkontrolle habe der Tüv nicht zur Kenntnis genommen, dass die Textilfirma gegen diverse Menschen- und Arbeitsrechte verstieß, argumentiert Saage-Maaß. Auch wenn der Tüv nicht den Auftrag hatte, die Statik der Fabrik zu prüfen, stelle sich die Frage, warum die Prüfer nicht auf den fragwürdigen Bauzustand hinwiesen und in dem Bericht die Bauqualität des Gebäudes sogar als „gut“ bezeichnet wird. So trage der Tüv eine Mitverantwortung für den Kollaps des Gebäudes – und für die Todesopfer.
Stellungnahme aus dem Jahr 2014
Die Liste der Verstöße gegen Vorschriften der OECD in Rana Plaza ist laut Saage-Maaß lang. Phantom Apparels hat demnach Kinder ab 12 Jahren beschäftigt. Eine Gewerkschaft, die sich um die Sicherheit der Beschäftigten kümmern konnte, gab es nicht. Frauen wurden drangsaliert und Überstunden erzwungen.
Zu der Beschwerde wollte sich der Tüv Rheinland mit Sitz in Köln auf Anfrage der taz nicht äußern. Man verwies auf eine Stellungnahme aus dem Jahr 2014. Damals erklärte Tüv-Sprecher Hartmut Müller-Gerbes, der Fokus der Prüfung, also des „Audits liegt auf dem Management, der Gestaltung der Arbeitsbeziehungen und auf den Arbeitsbedingungen. Bei der Besichtigung eines Betriebes gewinnen die Auditoren auch einen allgemeinen Eindruck der Räume und des Arbeitsumfeldes. Sie nehmen aber keine bautechnischen oder statischen Untersuchungen vor. Dafür sind sie gar nicht ausgebildet. In diesem Bereich sind wir in Bangladesch nicht tätig.“
Überprüfungen wie die durch den Tüv im Rana-Plaza-Gebäude finden statt, weil sich die Textilhändler absichern wollen, die die Bekleidung in armen Ländern kaufen und in reichen verkaufen. Mittels der Prüfberichte belegen sie, dass die Produktionsbedingungen in ihren Zulieferfabriken angeblich in Ordnung sind. Diese Praxis stellen die Organisationen ECCHR, Medico International und Femnet, die die Beschwerde tragen, nun in Frage. Sie verlangen unter anderem, dass der Tüv 250.000 Euro zugunsten der Rana-Plaza-Opfer zahlt.
Bislang hat die Textilindustrie etwa 30 Millionen US-Dollar in einen Entschädigungsfonds eingezahlt. Dazu gab es weitere Hilfen von der Regierung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen