piwik no script img

Beschäftigungsgarantie für Lemwerder

■ Dasa entläßt Flugzeugwartung in die Selbständigkeit / Alle Beschäftigten werden übernommen

„Ihr könnt den Ofen ausgehen lassen.“ Mit diesem Satz beendete der Betriebsratschef des Dasa-Werkes in Lemwerder, Erwin Nowak, gestern vor dem Eingangstor den achtmonatigen Kampf der Belegschaft um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. „Am 20. Oktober hieß es noch, alle werden entlassen. Jetzt gibt es eine Beschäftigungsgarantie bis Mai 1996. Das ist ein großer Erfolg“, erklärt Nowak den MitarbeiterInnen.

In der Nacht zum Mittwoch hatten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer der Deutschen Aerospace AG (Dasa/München) im Bremer Kongreßzentrum über den Abbau von weiteren rund 4.000 Arbeitsplätzen im Konzern bis Ende 1996 geeinigt. Sechs Standorte werden geschlossen. Die Werke in Lemwerder und München/Neuaubing sollen als eigenständige Gesellschaften weitergeführt werden. Damit will die Dasa 2,5 Milliarden Mark einsparen.

Martin Bertzbach, Präsident des Bremer Landesarbeitsgerichts und Vorsitzender der Einigungsstelle, war mit dem „erfreulichen Ergebnis“ zufrieden. Der Vorsitzende des Dasa-Konzernbetriebsrates, Alois Schwarz, sprach dagegen vom „schwärzesten Kapitel in der Geschichte der Luftfahrtindustrie der Nachkriegszeit“. Zwischen Januar 1992 und Dezember 1996 würde die Dasa insgesamt 16.000 Arbeitsplätze aufgeben. Dies sei der „bittere Beweis einer falschen Industriepolitik, für die Bundesregierung und Management gleichermaßen verantwortlich sind“. Dringender den je sei jetzt ein Konzept für „Konversion und Diversifikation“, um das sich der Betriebsrat „seit 15 Jahren ohne Erfolg“ bemühe, sagte Schwarz.

Das Land Niedersachsen will nun in eine Auffanggesellschaft für Lemwerder einsteigen und eine Arbeitsplatzgarantie für alle rund 1.000 Mitarbeiter bis zum 31. Mai 1996 geben. Ein Sprecher der Landesregierung sagte dazu gestern allerdings einschränkend, bei den Verhandlungen über den Übernahmevertrag seien noch „knifflige Detailfragen“ zu lösen.

Neben der großen Erleichterung gab es daher gestern auch skeptische Mienen in der Belegschaft von Dasa-Lemwerder. Denn die Beschäftigten wissen, daß es die neue Gesellschaft, die am 1. September formal die Geschäfte des Aircraft Service-Centers (ASC) in Lemwerder übernehmen soll, nicht leicht haben wird. Vor allem das Verbot für die Wartung von Militärmaschinen nach Juni 1996 macht den Beschäftigten zu schaffen. „Wir verlieren damit ein wichtiges Bein, aber es war nicht mehr anders zu verhandeln“, berichtet Nowak. Bislang arbeitet rund die Hälfte der Beschäftigten in der militärischen Wartung.

Mit Erleichterung haben die Mitarbeiter deshalb den Beschluß des Bewilligungsausschusses des Bundestages zur Kenntnis genommen, die Umrüstung von Transallmaschinen auf sogenannte autonome Navigationsanlagen (ANA-FRA) mit einem Umfang von 122 Millionen Mark zu bewilligen. Die ersten zwölf Maschinen werden dafür noch in diesem Jahr in Lemwerder erwartet. „Wenn dieser Auftrag nicht gekommen wäre, hätten wir mit Kurzarbeit in der neuen Gesellschaft beginnen müssen“, sagte der Betriebsratsvorsitzende Nowak. Bislang ist aber noch unklar, wieviel Anteile des Auftrages in Lemwerder abgewickelt werden können.

Für das Bremer Dasa-Werk bedeutet der Konzern-Beschluß einen weiteren Abbau von rund 150 Arbeitsplätzen. Der solle jedoch „ohne betriebsbedingte Kündigungen“ erfolgen, erklärte Gesamtbetriebsrat Erwin Hilbrink gestern in Bremen.

Wenige Tage wird der Mini-Hochofen vor dem Tor 1 in Lemwerder noch glühen. Denn bei aller Skepsis wird in Lemwerder noch vor Beginn des Betriebsurlaubs am 25. Juli gefeiert. Und dazu kommt auch Ministerpräsident Gerhard Schröder, der dann persönlich den als Mahnmal in den letzten acht Monaten gefütterten Ofen löschen soll. mad/Ase

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen