Berühmt wegen Flucht aus Auschwitz: KZ-Überlebender gestorben
Kazimierz Piechowski gelang vor 75 Jahren eine spektakuläre Flucht aus dem Konzentrationslager. Jetzt ist er im Alter von 98 Jahren gestorben.
Piechowski war kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs von einer deutschen Patrouille beim Versuch aufgegriffen worden, das besetzte Polen zu verlassen. Er hatte sich in Frankreich der polnischen Auslandsarmee anschließen wollen. Im Juni 1940 wurde er mit anderen politischen Gefangenen ins nationalsozialistische Konzentrationslager Auschwitz verschleppt.
Gemeinsam mit Stanislaw Jaster, Jozef Lempart und Eugeniusz Bendera brach er zwei Jahre später in ein SS-Lager ein, um Uniformen, Waffen und ein Dienstfahrzeug zu entwenden. Als Offiziere und Unteroffiziere der NS-Organisation verkleidet, seien sie am 20. Juni 1942 mit dem schwarzen Cabriolet des SS-Hauptsturmführers Paul Kreuzmann zum Lagertor gefahren, berichtete Piechowski später.
„Es war ein Steyr 220 – das war damals eines der besten Autos“, sagte er im Juni bei einer Veranstaltung der Auschwitz-Gedenkstätte. Die Bewacher hätten erst noch gezögert. Dann habe er gerufen: „Den Schlagbaum hoch oder ich schieß dir in deinen blöden Schädel.“ Da habe die Gruppe weiterfahren dürfen.
Denunziation nach dem Krieg
In anderen Berichten heißt es, das Auto sei gar nicht erst angehalten worden, weil die Bewacher glaubten, Kreuzmann sitze darin. Wegen angeblicher Beihilfe zur Flucht wurde der Häftling Kurt Pachala später von der Lagerleitung zum qualvollen Tod durch Verdursten verurteilt.
Den Rest des Krieges kämpfte Piechowski als Partisane in der Polnischen Heimatarmee (AK) im Untergrund. Nach dem Krieg fand er Arbeit in einer Fabrik, wurde dort aber von einem kommunistischen Spitzel denunziert. Die Behörden verurteilten ihn zu zehn Jahren Gefängnis, er wurde aber nach sieben Jahre entlassen, wie das Institut für Nationales Gedenken weiter ausführt.
Im Jahr 2004 erschienen Piechowskis Erinnerungen in Polen als Buch unter dem übersetzten Titel „Ich war die Nummer … Zeugnis aus Auschwitz“. Der Dokumentarfilm „Die Flucht“, in dem er selbst von seinen schrecklichen Erlebnissen erzählt, wurde vor einigen Jahren auch im deutschen Fernsehen gezeigt.
Nach Angaben des polnischen Historikers Jacek Lachendro versuchten etwa 900 Menschen, aus dem deutschen Lagerkomplex Auschwitz zu fliehen. Von ihnen hätten weniger als 200 das Ende des Krieges erlebt, denn die meisten seien auf der Flucht erschossen oder gefasst worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!