Berti Vogts & Co. in Afrika: Jenseits der Chaos-Mythen
Die meisten Bundesligatrainer scheitern in Afrika aufgrund ihrer schlichten Vorstellungen. Deutlich wirkungsvollere Arbeit leisten deutsche Sportentwicklungshelfer.
Das alte Zauberwort lautet: "Disziplin". Nahezu alle deutschen Fußballtrainer, die einen Job in Afrikas Spitzenfußball annehmen, sprechen zuallererst davon, ihrem Team Pünktlichkeit, Fleiß und Zuverlässigkeit einzuimpfen, deutsche Tugenden eben. Und Spieler, die ein paar Minuten zu spät zum Frühstück kommen, fliegen dann schon mal aus der Mannschaft, so hielt es jedenfalls Winfried Schäfer als Nationaltrainer Kameruns. Und Berti Vogts antwortete 2008 als Chefcoach in Nigeria auf die Frage, was dem afrikanischen Fußball am meiste fehle: "Disziplin und Ordnung". Schlichte Lösungen haben eben ihren Charme.
Otto Pfister hält die These von der mangelnden Disziplin dennoch für eines dieser typischen Klischees, die das Bild der Welt von Afrika verzerren. Immer noch glauben viele Leute, dass man die Fußballer vom schwarzen Kontinent domestizieren müsse. Pfister, der in seiner Karriere acht Nationalmannschaften aus Afrika trainierte, hat solche Gedanken Anfang der 90er-Jahre als "rassistisches Gequatsche" bezeichnet, inzwischen ist er ruhiger geworden. "Ich hatte in Afrika nie Disziplinprobleme, und zu viel von dieser formellen Disziplin tötet die Stärken der Spieler", sagt der 72-Jährige heute. Kein deutscher Trainer kam in Afrika besser klar als Pfister.
Und es gab viele, die es probiert haben: Reinhard Fabisch (Benin), Antoine Heye (Kenia), Uli Stielike (Elfenbeinküste), Heinz-Peter Überjahn (Niger, Burkina Faso, Namibia), Jochen Figge (Sambia, Äthiopien) und natürlich der legendäre Rudi Gutendorf (Ruanda, Ghana, Tansania und andere). Manche waren Abenteurer, andere Begriffen sich als Missionare, einige hatten kurzfristig Erfolg, die meisten nicht. Dafür kommen sie mit vielen Anekdoten im Gepäck zurück. So wurde Burkhard Ziese 2006 als malawischer Nationaltrainer nach einem Training im Nationalstadion von Blantyre "bedrängt, geschubst, aus dem Stadion gezogen, gegen einen Zaun gestoßen" und am Auto dann noch mit Schlägen und Tritten traktiert, wie er nach seiner Rückkehr nach Deutschland berichtete. Der Grund für den Angriff: Ziese hatte darauf bestanden, dass er sein Gehalt bekommt. Es gibt Geschichten über Voodoo, vergiftete Spieler, korrupte Funktionäre, jeder hat seinen eigenen Irrwitz erlebt. Solche Anekdoten lassen sich schön erzählen, sie bestätigen die gängigen Mythen über den Chaoskontinent. Deutsches Engagement mit Nachhaltigkeit findet indes jenseits des großen Rampenlichtes statt. Der Deutsche Fußballbund (DFB) und das Auswärtige Amt in Afrika organisieren zahlreiche Projekte der Fußballförderung, die von der Bundesrepublik finanziert und vom DFB durchgeführt werden. Es ist eine leise Arbeit, die Leute leisten, deren Namen so gut wie nie in den Zeitungen auftauchen. Gerade wurde in Ruanda an der Grenze zum Kongo unter der Schirmherrschaft von Außenminister Guido Westerwelle ein Turnier mit dem Titel "Football for Peace" ausgetragen. Acht gemischte Jungen-und-Mädchenmannschaften spielten in der ehemaligen Bürgerkriegsregion, Tore durften nur von Spielerinnen erzielt werden. Unstimmigkeiten sollten Teams selbst aus der Welt schaffen, einen Schiedsrichter gab es nicht.
Markus Weidener, der die Afrika-Projekte beim DFB koordiniert, sagt: "Wir geben Anstöße, um die integrative Kraft des Sports zu nutzen". In Ruanda, wo die Menschen an den Folgen eines fürchterlichen Völkermordes mit über einer halben Million Toten leiden, arbeitet seit drei Jahren der Deutsche Michael Weiß. "Er hat versucht, einen Spielbetrieb zu etablieren, er unterstützt die Nationalmannschaften im Juniorenbereich", sagt Weidener, "außerdem werden Trainer ausgebildet, und die besten haben wir dann in Deutschland weiterqualifiziert."
Solche Aktionen sind wirkungsvoller als der Einsatz deutscher Trainer bei Nationalteams, wo es um den kurzfristigen Erfolg geht. Eine Stärke von Berti Vogts ist es, Strukturen zu schaffen, Veränderungen an der Basis einzuleiten. In Nigeria wollte davon keiner etwas wissen. Die Hilfe des Auswärtigen Amtes wird hingegen gerne angenommen, solche Projekte bezahlen schließlich die Europäer.
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