Bert Schulz über einen Aussichtsballon in schweren Turbulenzen: Werbung und Wirklichkeit erstaunlich nah beisammen
Es gibt Werbung, deren Einsatz man sich in Berlin sehr gut überlegen sollte. So hat in dieser Stadt alles, was mit Fliegen zu tun hat, mit Abheben, mit Eröffnen, auch mit Schallschutz und Flugrouten, eine – sagen wir – gewisse Doppelbödigkeit. Sie wissen, wovon wir reden: Der BER hat mit seiner Pannengeschichte die Sicht auf die Dinge grundlegend verändert.
Umso erstaunlicher, dass schon seit vielen Jahren in unmittelbarer Nähe des Checkpoint Charlie ein Aussichtsballon abhebt, ohne dass etwas passiert ist. Das Ding steigt nach Angaben des Betreibers – gesichert durch eine Schnur – bis zu 150 Meter hoch und ist deswegen auf vielen Foto-Panoramen der Stadt zu sehen. Wohl deshalb wirbt darauf eine Zeitung des Springerkonzerns, die wirtschaftlich und inhaltlich nicht zu den Überfliegern gehört.
Doch am Dienstagnachmittag geriet der Ballon ins Trudeln: starke Windböen drücken ihn stark zur Seite. Fast hätte er ein nahes Haus berührt. Die 19 Passagiere an Bord erlitten einen Schock, einige sprachen im Anschluss von "Todesangst". Sie erhielten den Eintrittspreis von rund 20 Euro für das eigentlich 15-minütige Abheben zurück.
Nun ermittelt die Polizei wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung. Es könnte ja sein, dass dem Piloten die Wetterlage bekannt war.
In heftigen Turbulenzen befindet sich auch die auf dem Ballon werbende Zeitung: Zahlreiche Stellen werden dort gestrichen und Mitarbeiter nachdrücklich gebeten, ihren Abschied zu nehmen. Auch hier wird von Schockzuständen berichtet.
Nun ist Werbung meist Lüge, manchmal unverhohlen. Und wo sie wahr wird, ist sie keine Werbung mehr. Der Ballon muss am Boden bleiben, vorerst, bis der Vorfall geklärt ist. Das Luftfahrtbundesamt ermittelt. Und Springer sollte sich einen neuen Werbeplatz suchen – falls die Zeitung jemals abhebt.
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