piwik no script img

Bernhard Pötter Wir retten die WeltWarum will mich niemand bestechen?

Die zarteste Versuchung, an die ich mich erinnere, kam in Form eines Besuchs in der Sky Lagune in Island. Das Angebot zu einer Pressereise zur Öko-Energie, und dann versprachen die Organisatoren noch genug Zeit, um in der Saunalandschaft der geysirgeheizten Lagune zu schwimmen. Wahrscheinlich auf ihre Kosten. Immerhin: Dieser Bestechungsversuch hatte Stil. Sonst dreht sich die Korruption in meinem Berufsleben mehr so um billige Kugelschreiber, USB-Sticks und mehr oder weniger vegane Buffets. Inzwischen habe ich von den Klima-COPs einen Schrank voller Wasserflaschen.

Und ich frage mich: Warum besticht mich eigentlich niemand mal so richtig? Warum versucht es nicht wenigstens mal jemand? Wenn man die Berichte aus dem EU-Parlament liest, kann man schon mal neidisch werden. Säcke voller Geld in der Wohnung! Haufenweise Bargeld, offenbar gegen Reden im Parlament und ein paar Abstimmungen in Ausschüssen! 1,5 Millionen Euro in kleinen Scheinen, um positive Geschichten über zwielichtige Auftraggeber zu erzählen! Euer Ernst?

Bei mir gäbe es viel mehr zu holen. Ich könnte zum Beispiel schreiben, dass wir jetzt unbedingt auf Gas aus (bitte tragen Sie hier Ihren Auftraggeber ein) setzen müssen. Oder ich könnte kommentieren, das mit dem Atomausstieg sollten wir uns noch mal überlegen, und dass uns Brennelemente aus (bitte hier Ihren Auftraggeber …) unabhängig von Putin machen. Oder ich könnte eine Reportage über die Bemühungen des Agrarkonzerns (bitte setzen Sie hier …) anbieten, dass nur mit dem Pestizid () die Welternährung zu sichern ist. Es gibt doch so viele, deren Ruf man aufpolieren müsste. Früher gab es dafür mal diese großzügigen Journalistenrabatte für alles vom Auto bis zur Flugreise. Ich war dafür immer zu doof, und jetzt sind sie abgeschafft.

Oder hier kommt ein Angebot, das noch cleverer ist: Ich könnte einfach machen, was ich immer mache – aber dafür kassieren. Laut fordern, wir bräuchten mehr Windkraftanlagen im Land und Solaranlagen auf jedem Dach, weniger Autos und Fleisch, dafür mehr Fahrräder und Gemüse – da sollte doch mehr drin sein als mal ein Journalistenpreis von „unendlich viel energie“. Was ist mit kostenlosem Ökostrom, einem schicken E-Lastenbike zur Dauer-Probefahrt, der gesponserten Gemüsekiste vor der Haustür, 1,5 Millionen für 1,5 Grad? Gelten für Weltretter nicht die gleichen Sonderangebote wie für Weltvernichter? Wann stufen wir den Korruptionssumpf als ökologisch höchst wertvolles Feuchtgebiet ein?

Wir können es ja mal probieren. Also hallo, ExxonMobil und SaudiAramco, RWE, Vattenfall, Monsanto, Tesla, Tönnies, Birkenstock, Globe­trotter und Rapunzel, ihr habt meine ­E-Mail. Vielleicht kommen wir ja ins Geschäft. Oder ich habe eine gute Geschichte über versuchte Bestechung zu erzählen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen