Bernhard Pötter Wir retten die Welt: Rückkehr in die Klima-Hauptstadt
Es ist ja so: Sie können über die wichtigsten Dinge der Welt schreiben, über Klima, Kanzlerin, Weltuntergang, und es interessiert keine Sau. Dann schreiben Sie über eine Nebensache, und plötzlich ist der Teufel los. Als ich vor zwei Wochen meinte, dass „die Bahn mich zwingt“, zur Klimakonferenz das Flugzeug zu nehmen, hatte ich nicht nur den Vorstand der DB in meiner Mail, sondern auch jede Menge gut gemeinter Ratschläge von LeserInnen.
Ob ich denn nicht wüsste, auf welchen verschlungenen Pfaden man Züge nach Schottland buchen könne. Nein, wusste ich nicht. Aber interessant waren die Vorschläge schon: Nach London mit dem Zug, dann ein Auto mieten. Nach Amsterdam, dann ein Schiff nehmen. Mit den Klimapilgern 77 Tage durch Europa laufen. Mit dem Nachtbus durch Großbritannien. Dabei wollte ich doch nur den Zug nehmen – ohne mit Zauberkräften im Darknet den Hogwarts-Express zu buchen.
Der Weg zurück jedenfalls war einfacher. Vielleicht lag es am Post-COP-Belastungssyndrom, mir war vieles wurscht. Auch das Greenwashing rund um die Konferenz. In Glasgow am Flughafen stand noch groß: „Der Klimawandel ist da, die Lösungen auch“. Da hatte wohl jemand zwei Wochen lang nicht zugehört. Die Ölfirma Total will sich total ändern und hat sich in Total Energies umbenannt. Am Flughafen Frankfurt feierte die Lufthansa, man werde jetzt CO2-frei fliegen. Nur wie? Und im Gebäude klebten große Plakate für einen Neubau: „Building the Future: Terminal 3“. Hatten wir uns nicht gerade geeinigt, dass wir die Zukunft irgendwie anders aufbauen wollten?
Und dann: Berlin. Die komplette Entschleunigung beim Warten am Gepäckband. Nichts von Großstadthetze. Aber auf den Bildschirmen die Werbung von BMW: Lächelnde Models fahren Elektro-SUVs durch die Stadt, wo in Cafés Menschen sitzen, auf deren Rücken „There is no Planet B“ steht. Ich trinke mein Bier an den falschen Orten, dachte ich. Danach Bilder von wilden Rennen mit Verbrennerboliden voller harter Kerle, die durch stillgelegte Fabriken heizen. Anspruch und Wirklichkeit der Klimakonferenzen.
Aber hey, Berlin! Einzige deutsche Stadt, die im weltweiten Ranking des Carbon Disclosure Project ein A schafft: weil wir ein tolles Klimaziel haben, Planungen für netto null und Erneuerbare, weil wir wissen, wo es raucht, und diese Daten veröffentlichen; und trotzdem Auto fahren wie die Idioten. Willkommen in der Stadt der COP1 von 1995: arm und doof, aber klimasexy. Da kannste nich meckern.
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