: Bernhard Langer blieb fast vogelfrei
Auch bei den German Open in Düsseldorf zeigt sich, daß Golf gefährlicher ist als allgemein angenommen / Vorhandvolley an die Stirn und eine wenig kooperative Natur ■ Aus dem Unterholz Bernd Müllender
Sage noch jemand, Golf sei nichts als ein gemächliches Freizeitvergnügen mehrheitlich angejahrter Leutschaften. Golf ist gefährlich. Zu erleben und zu vernehmen bei den diesjährigen German Open in Düsseldorf.
Die Bälle machen sowieso, was sie wollen. Meucheln Äste, verschwinden unter Laubhaufen, sausen in Zuschauergruppen (hübsches Gehüpfe dann dort), tauchen in Wässer oder im Unterholz unter, wo beispielsweise der Argentinier Vicente Fernandez am Donnerstag gleich an Bahn 1 contenancearm dreimal herumwütete, bis er das undankbare Ding wieder herausgedroschen hatte. Den Hobbyspieler freut's, kennt er solche Lagen fernab von der Ideallinie doch wesentlich häufiger als die Profis, deren faszinierende Präzision fast immer für die gerade und gewünschte Flugbahn sorgt. Dank geht in dieser Hinsicht besonders an den Schotten Brian Marchbank, der es schaffte, für eine Bahn satte neun Schläge zu brauchen.
Die Natur ist aber auch unberechenbar, steht halt beim Golf als Baumstamm oder liegt als Tümpel immer da herum, wo man sie am wenigsten braucht. Und das, obwohl der Deutsche Golfverband jetzt fundamental-ökologisch damit wirbt, daß der Golfplatzbau zu Biotopverbund- und vernetzungsanlagen auf deutscher Flur führt. Artentypische Bewegungsradien von Erdkröte und Laufkäfer, ja selbst von Hermelin und Steinmarder (der am Clubhaus womöglich den Benzen und Porschen am Gummigeschläuch knabbert) werden dabei als Argumentationshilfen dargereicht. Weniger Erwähnung findet, natürlich, daß zum Golfplatzbau Anfahrtsvernetzungsanlagen angelegt werden (Straßen, Parkplätze) und die Grüns um ein Mehrfaches horrender gedüngt werden, als es auch das gewissenloseste Bäuerchen mit seinem Giftküchen-Gemüsefeld jemals wagen würde.
Doch von Kooperation der Natur keine Spur: So berichtete Stargolfer Bernhard Langer von allerlei Imponderabilien, etwa daß die Grüns in Düsseldorf unerwünschte und meisterschaftsunwürdige braune Flecken hätten, was wohl „auf eine Art Pilzbefall zurückzuführen“ sei. Und in Stuttgart, das die German Masters in diesem Jahr an Berlin abtreten mußte, „haben sie Probleme mit Würmern auf dem Platz“. Undankbare Flora und Fauna.
Da sind dem Golfer die disziplinspezifischen Vögelchen („Birdie“ – 1 unter Par), Adler („Eagle“ – 2 unter) und Albatros („Albatros“ – 3 unter) deutlich sympathischer. Titelverteidiger Langer indes blieb am ersten Tag fast vogelfrei und schaffte nur drei Schläge unter Standard, traf dafür aber zweimal krachend aus großer Distanz die Fahnenstange. Überraschend führte der Franzose Thomas Levet mit „9 unter“ bei sensationellen sechs Birdies auf den ersten neun Löchern – Platzrekord.
Die Golfprofis mit ihren formidablen Schlageskünsten live zu erleben ist schon ein Faszinosum für sich. Ganz anders als im Fernsehen, das diesen nur mäßig medialen Sport kaum adäquat abbilden kann. Und hierzulande stecken die Fernsehübertragungen auch voller Tücken. Oldie Eberhard Stanjek und Frank Adamotitz schaffen es, das gefürchtete Fußballduo Faßbender/Rummenigge in deren gegenseitigem Bestätigungsjournalismus („Ein toller Schlag“ – „ja, das war ein ganz toller Schlag ...“ – „ja, wirklich, super, super ...“) noch zu übertreffen. Und der Kameramann verpaßt wieder mal die Flugbahn des Balles.
Das Gegenteil und somit noch viel Schlimmeres erlebte der Engländer Mark Roe bei der Turniervorbereitung, als er volley von einem mißratenen Abschlag am Kopf getroffen wurde. Auf seine Kopfhaut vorne war nach dem Volltreffer „die Beschriftung der Kappe eingraviert“, was seine Ausrüsterfirma sicher als direkte Werbung am Mann erfreut. Und ihn selbst: „Ohne die Kopfbedeckung wäre mir die Stirn wahrscheinlich aufgeschlitzt worden“, so Roe roh.
Gefahr birgt dem Amateur auch der Traum schlechthin, das As („Hole in One“). Was dem Engländer David Curry am Donnerstag aus 190 Metern gelang – Abschlag, hoppel, hoppel, klack, plopp, drin, jubeljubel – bringt ihm branchentypisch irgendeinen Sonderpreis (Limousine, Kleinflugzeug o. ä.). Vom Amateur verlangt ein solcher Glückstreffer eine Clubhaus-Runde mit Champagner zu Clubhaus-Preisen. Doch dagegen versichert jetzt die Commerzbank mit ihrer eigens designten Golfer-Kreditkarte mit dem „As- Bonus bis zu 1.000 Mark“. Erfolgskostengefahrenabdeckung – auch das typisch Golf.
Nur um einen Albatros zu schaffen, mit zwei Schlägen im rund 500 Meter entfernten Par-5-Loch, dafür gibt es noch keine Versicherung. Und auch bei den Profis keine Garantie. Immerhin drei Spieler haben es in Europa in diesem Jahr schon geschafft – trotz aller Würmer und Pilze und mit freundlicher Genehmigung von Steinmarder und Erdkröte. In Düsseldorf können sie bis Sonntag noch darauf hoffen.
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