Eine unerhörte Freiheit
: Bernd Homann solo, Bennie Wallace mit Quartett im NDR-Studio 10 Von Andreas Schäfler

Um Bennie Wallace, der eine der wenigen wirklich unorthodoxen Figuren im weiten Jazz-Zirkus sein dürfte, war es zuletzt verdächtig ruhig geworden. Die Zeiten, da der unvergleichliche Tenorsaxofonist an der Seite von Stevie Ray Vaughan durch eine saftige Blues-Rock-Nummer wie „All Night Dance“ heizte, schienen nicht nur deshalb vorbei zu sein, weil dieser wunderbare Gitarrist nicht mehr am Leben ist. Tatsächlich hat Wallace in den 90er-Jahren seinem angestammten Business weitgehend entsagt und zwar zugunsten der Verlockungen Hollywoods, wo er als Filmkomponist dermaßen gefragt war, dass er nur noch sporadisch als Bandleader in eigener Sache hervortrat. Dann aber jeweils durchaus mit der gebührenden Unbescheidenheit, man höre etwa nur die CD Talk Of The Town.

Seine jüngste Einspielung ist nun aber alles andere als vorlaut: Someone To Watch Over Me besticht von vorne bis hinten mit veredeltem George Gershwin für Genießer. Bennie Wallace bläst sein Horn zwar immer noch so extraordinär wie je, andererseits aber auch so kontrolliert und innig wie nie. Die Verwandlung von gefeierten Broadway-Songs in Jazz-Miniaturen ist dabei eben keine Sache von Zaubertricks, sondern eine Frage des Stils.

Neben Lenny Pickett ist Wallace einer der ganz wenigen Tenorsax-Recken, die kaum Anleihen bei den Altvorderen machen. Und wenn, dann ist sein Mundwerk eher auf Sonny Rollins ausgerichtet als auf John Coltrane. Was künstlerische Haltung und musikalische Auffassungsgabe angeht, steht bei Wallace aber bis heute nicht zuletzt Monk hoch im Kurs. Von mutwillig eckig bis nobel-distinguiert also geht es zu, doch immer wieder darf das Saxofon des Leaders wild genug werden, um das Geschehen (und die Aufmerksamkeit) mit Schmacht und Fauchen an sich zu reißen. Bennie Wallace lässt ihm seinen Willen. Vom schieren Ein- und Ausatmen durch sein Instrument bis zu den abgezirkeltsten Improvisationen reicht die Skala der Ausdrucksmöglichkeiten, die Wallace zu einem organischen Ganzen ausgestaltet.

Das Lineup für den Hamburger Auftritt ist vielversprechend: Bennie Wallace kommt mit Danton Boller am Bass, Alvin Queen am Schlagzeug und hat sich am Klavier die Dienste eines wahren Giganten dieser Zunft gesichert. Klar, dass Wallace, der im Lauf seiner Karriere schon mit so fabelhaften Pianisten wie Chick Corea, Chuck Mahronic, Dr. John und Tommy Flanagan zusammenarbeiten konnte, hier nicht irgendwen in sein Quartett hat berufen wollen. Sondern niemand Geringeres als Mul-grew Miller, um den sich die Stars nur so reißen und der zuletzt im Duo mit Bass-Legende Niels-Henning Orsted Pedersen in Hamburg gastierte.

Ein anderer Klaviervirtuose bestreitet solo das Vorprogramm: Bernd Homann, 36 Jahre alt, aus Edelmissen bei Peine, wohnhaft in Radbruch bei Lüneburg. Andere Koordinaten und eine andere Liga, möchte man meinen. Doch als Bandleader, vor allem aber als Solist, ist der Absolvent der Musikhochschule Hannover inzwischen doch wiederholt sehr auffällig geworden. In den letzten paar Jahren regnete es Preise und immer prominentere Auftritte. So konnte er mit seinem Quartett beim Hamburger Jazzport-Festival im Vorprogramm von Herbie Hancock auf sich aufmerksam machen. Die letztjährige Platte in dieser Besetzung, Red Blue Red, ist trotz ihrer etwas übereifrigen Stilvielfalt ganz beachtlich ausgefallen, und Homanns neue Solo-Scheibe wird bereits als Ereignis gehandelt.

Ein unverschämt guter Pianist ist er ohne Zweifel schon jetzt. Alle paar Takte wird hörbar, warum er schon so viel Furore gemacht hat. Das etwas gar zu Fingerflinke in seinem Spiel mag davon herrühren, dass Bernd Homann sich bereits sehr früh an Boogie und Ragtime zu vergreifen lernte. Aber so ist in seinen Improvisationen stets genug Zug drin.

Kann sein, dass Bernd Homann sich auf dem Weg zum Selfmademan das Wunderkind noch nicht ganz ausgetrieben hat. Aber selbst die Emanzipation vom erklärten Vorbild Keith Jarrett schreitet voran. Wie sagt er selbst: „Ich bringe 350 Meter Saiten zum Schwingen und spüre, wieviel Platz und Ruhe ich plötzlich habe, eine unerhörte Freiheit.“

Freitag, 20 Uhr, Rolf-Liebermann-Studio (Oberstraße)

Um Bennie Wallace, der eine der wenigen wirklich unorthodoxen Figuren im weiten Jazz-Zirkus sein dürfte, war es zuletzt verdächtig ruhig geworden. Die Zeiten, da der unvergleichliche Tenorsaxofonist an der Seite von Stevie Ray Vaughan durch eine saftige Blues-Rock-Nummer wie „All Night Dance“ heizte, schienen nicht nur deshalb vorbei zu sein, weil dieser wunderbare Gitarrist nicht mehr am Leben ist. Tatsächlich hat Wallace in den 90er-Jahren seinem angestammten Business weitgehend entsagt und zwar zugunsten der Verlockungen Hollywoods, wo er als Filmkomponist dermaßen gefragt war, dass er nur noch sporadisch als Bandleader in eigener Sache hervortrat. Dann aber jeweils durchaus mit der gebührenden Unbescheidenheit, man höre etwa nur die CD Talk Of The Town.

Seine jüngste Einspielung ist nun aber alles andere als vorlaut: Someone To Watch Over Me besticht von vorne bis hinten mit veredeltem George Gershwin für Genießer. Bennie Wallace bläst sein Horn zwar immer noch so extraordinär wie eh, andererseits aber auch so kontrolliert und innig wie nie. Die Verwandlung von gefeierten Broadway-Songs in Jazz-Miniaturen ist dabei eben keine Sache von Zaubertricks, sondern eine Frage des Stils.

Neben Lenny Pickett ist Wallace einer der ganz wenigen Tenorsax-Recken, die kaum Anleihen bei den Altvorderen machen. Und wenn, dann ist sein Mundwerk eher auf Sonny Rollins ausgerichtet als auf John Coltrane. Was künstlerische Haltung und musikalische Auffassungsgabe angeht, steht bei Wallace aber bis heute nicht zuletzt Monk hoch im Kurs. Von mutwillig eckig bis nobel-distinguiert also geht es zu, doch immer wieder darf das Saxofon des Leaders wild genug werden, um das Geschehen (und die Aufmerksamkeit) mit Schmacht und Fauchen an sich zu reißen. Bennie Wallace läßt ihm seinen Willen. Vom schieren Ein- und Ausatmen durch sein Instrument bis zu den abgezirkeltsten Improvisationen reicht die Skala der Ausdrucksmöglichkeiten, die Wallace zu einem organischen Ganzen ausgestaltet.

Das Lineup für den Hamburger Auftritt ist vielversprechend: Bennie Wallace kommt mit Danton Boller am Bass, Alvin Queen am Schlagzeug und hat sich am Klavier die Dienste eines wahren Giganten dieser Zunft gesichert. Klar, dass Wallace, der im Lauf seiner Karriere schon mit so fabelhaften Pianisten wie Chick Corea, Chuck Mahronic, Dr. John und Tommy Flanagan zusammenarbeiten konnte, hier nicht irgendwen in sein Quartett hat berufen wollen. Sondern Mulgrew Miller, um den sich die Stars nur so reißen und der zuletzt im Duo mit Bass-Legende Niels-Henning Orsted Pedersen in Hamburg gastierte.

Ein anderer Klaviervirtuose bestreitet solo das Vorprogramm: Bernd Homann, 36 Jahre alt, aus Edelmissen bei Peine, wohnhaft in Radbruch bei Lüneburg. Andere Koordinaten und eine andere Liga, möchte man meinen. Doch als Bandleader, vor allem aber als Solist, ist der Absolvent der Musikhochschule Hannover inzwischen doch wiederholt sehr auffällig geworden. In den letzten paar Jahren regnete es Preise und immer prominentere Auftritte. So konnte er mit seinem Quartett beim Hamburger Jazzport-Festival im Vorprogramm von Herbie Hancock auf sich aufmerksam machen. Die letztjährige Platte in dieser Besetzung, Red Blue Red, ist trotz ihrer etwas übereifrigen Stilvielfalt ganz beachtlich ausgefallen, und Homanns neue Solo-Scheibe wird bereits als Ereignis gehandelt.

Ein unverschämt guter Pianist ist er ohne Zweifel schon jetzt. Alle paar Takte wird hörbar, warum er schon so viel Furore gemacht hat. Das etwas gar zu Fingerflinke in seinem Spiel mag davon herrühren, dass Bernd Homann sich bereits sehr früh an Boogie und Ragtime zu vergreifen lernte. Aber so ist in seinen Improvisationen stets genug Zug drin.

Kann sein, dass Bernd Homann sich auf dem Weg zum Selfmademan das Wunderkind noch nicht ganz ausgetrieben hat. Aber selbst die Emanzipation vom erklärten Vorbild Keith Jarrett schreitet voran. Wie sagt er selbst: „Ich bringe 350 Meter Saiten zum Schwingen und spüre, wieviel Platz und Ruhe ich plötzlich habe, eine unerhörte Freiheit.“

Freitag, 20 Uhr, Rolf-Liebermann-Studio (Oberstraße)