Berlusconis Kampf um Machterhalt: Hasstiraden vor dem zweiten Wahlgang
Hetzkampagnen gegen Homosexuelle, Ausländer und "Rote": Damit versucht die Koalition von Premier Berlusconi, die Kommunalwahlen in Mailand und Neapel noch zu gewinnen.
ROM taz | Schwulenhass, Ausländerhetze, Aufputschung der eigenen Anhänger gegen angeblich heranstürmende "rote Horden": Der Koalition von Italiens Premier Silvio Berlusconi ist jedes Mittel recht, um im Endspurt den Kampf um die Rathäuser von Mailand und Neapel noch zu den eigenen Gunsten zu drehen. Am nächsten Sonntag und Montag stehen dort ebenso wie in zahlreichen weiteren Kommunen die Stichwahlen um den Posten des Bürgermeisters an - und die Favoriten kommen von links.
Im ersten Wahlgang vor zehn Tagen hatte in Mailand der Linkskandidat Giuliano Pisapia mit gut 48 Prozent die bisherige, zu Berlusconis Truppen gehörende Bürgermeisterin Letizia Moratti (41,5 Prozent) abgehängt. Es war eine mittlere Sensation: Mailand galt bisher als Hauptstadt des Berlusconismus. Eine Niederlage könnte daher eine schnelle Regierungskrise in Rom einläuten.
Und dagegen stemmt sich Berlusconi nach Kräften. Pisapias Linksbündnis wolle Mailand "in eine Zigeunermetropole" verwandeln, tönte er. Mailands Vizebürgermeister Riccardo De Corato rechnet vor, "zwei Millionen Zigeuner" in Rumänien warteten auf das Signal des linken Wahlsiegs, um gen Mailand aufzubrechen. Fortan werde gelten: "Auch wenn du stiehlst, stellen sie dir eine Gratiswohnung."
Derweil verkündet die Berlusconi-nahe Tageszeitung Libero, Mailand drohe "zum Schwulen-Mekka" zu werden, und die katholische Postille Tempo hat in Pisapia gleich den "Antichristen" ausgemacht, der angeblich in Mailand die "größte Moschee Europas" errichten wolle. Berlusconi selbst meint, die Linke sei dabei, "Mailand zum Stalingrad Italiens" zu machen, und: "Mailand darf jetzt nicht zur islamischen Stadt werden, zu einer Zigeunermetropole voller Roma-Lager, die von Ausländern belagert wird, denen die Linke auch noch das Wahlrecht einräumen will", verkündete er am Montag in einer Videobotschaft.
Mit Horrormeldungen Stimmung machen
Ob dieser Wahlkampf Berlusconi am Ende den Sieg einbringt, steht dahin. Der Rechtsanwalt Pisapia eignet sich kaum als Projektionsfläche für die angebliche Verschwörung von schwulen, drogensüchtigen, islamistischen Zigeunerkommunisten, die in der norditalienischen Wirtschaftsmetropole den Sturm aufs Rathaus antreten.
Vorsichtshalber macht die Rechte deshalb auch mit Horrormeldungen von "linken Gewaltakten" Stimmung. So berichtete die Mutter des Sportdezernenten von Mailand, sie sei von einem linken Wahlkämpfer "geschlagen und getreten" worden - Berlusconi besuchte sie gleich in der Klinik. Zeugen erklärten dagegen, die Frau habe sich einfach vor einem Wahlkampfstand auf die Erde gesetzt und losgezetert, sie sei geschlagen worden.
Zu einem weiteren bald anstehenden Votum will es Italiens Rechte angesichts der Stimmung im Land gleich gar nicht kommen lassen: zum Referendum über die Nutzung der Kernkraft, das am 12. und 13. Juni angesetzt ist. Das Parlament soll noch in dieser Woche ein Moratorium für den von Berlusconis Parlamentsmehrheit schon beschlossenen Wiedereinstieg in die Nuklearenergie verfügen. Damit, so meint die Regierung, werde das Referendum überflüssig.
Auch wenn er im Parlament eine Mehrheit für das als Referendumskiller konzipierte Moratorium bekommt, liegt die endgültige Entscheidung über die Abhaltung der Volksabstimmung beim Kassationsgerichtshof: Juristen erwarten, das er das Referendum trotz Moratoriums stattfinden lässt.
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