Berlusconi und der italienische Fußball: Gute Schwiegersöhne
Silvio Berlusconi, auch Ex-Präsident des AC Milan, will Drittligist SS Monza 1912 großmachen. Sein Plan: weniger Ausländer, weniger Tattoos.
Es ist ein Geschenk für treue Dienste. „Galliani war in den 1970ern und 1980ern schon Manager bei Monza. Er stammt von hier, war immer ein Monza-Fan. Und hier in der Geschäftsstelle hängt noch ein Foto von Galliani aus dieser Zeit, eines, auf dem er noch Haare hat“, sagt Marco Ravasi, Sprecher und Teammanager bei Monza. Und tatsächlich sieht man im Treppenhaus ein Schwarz-Weiß-Foto, auf dem ein paar dunkle Locken zu sehen sind statt Italiens wohl bekannteste Fußballglatze.
„Ich bin einer von Monza. 31 Jahre war ich an den AC Mailand verliehen, jetzt bin ich zurück“, sagte Galliani auf seiner ersten Pressekonferenz nach dem Kauf des Vereins. Er hatte die Lacher auf seiner Seite. Bei den Heimspielen ist er seitdem meistens im Stadion. Seine Präsenz zieht andere Fußballgrößen an: Ex-Torjäger Christian „Bobo“ Vieri etwa, auch Trainerlegende Fabio Capello.
Was für den Klub selbst wohl wichtiger ist: „Seitdem allein die Gerüchte über Berlusconis Interesse die Runde machten, kommen unsere Spiele häufiger als früher ins Fernsehen. Wir sind erst am 12. Spieltag, aber das hier ist schon das vierte Spiel von uns, das in voller Länge live übertragen wird“, sagt, sichtlich stolz, Sportdirektor Filippo Antonelli.
Berlusconi hat Geld
Er ist seit vier Jahren hier, betreute den Neuaufbau nach der gescheiterten Stippvisite von Clarence Seedorf. Das Abenteuer als Klubbesitzer für den Ex-Milan-Star endete im Bankrott des Traditionsvereins. Den Namen Seedorf spricht deshalb niemand so gern aus in Monza. Und es wird auch streng getrennt zwischen Seedorf, dem früheren Berlusconi-Angestellten, und Berlusconi selbst.
„Berlusconi hat wesentlich mehr Geld zur Verfügung als Seedorf. Seedorf war auch als Präsident wenig vor Ort. Das muss man aber sein, um zu bestimmen, wo es langgeht. Und zumindest Galliani ist präsent und hat die Zügel im Griff“, schätzt Lokalreporter Francesco Ungaro ein.
Dabei hätte es der neue Besitzer nicht einmal weit. Keine zehn Kilometer ist Berlusconis Herrschaftssitz Arcore von Stadio Brianteo in Monza entfernt. Es heißt, er könne von dort aus die Flutlichtmasten des Stadions sehen.
Am Sonntag war es gut, dass er nicht kam. Monza verlor 0:2 gegen Pordenone. Nicht einmal eine Rote Karte für den Gast aus dem Nordosten konnte die Partie retten. Team und Trainer Cristian Brocchi mussten sich heftige Pfiffe der knapp 1.000 Mann starken Ultra-Fraktion anhören. Brocchi, ein Ex-Profi des AC Mailand und für kurze Zeit dort sogar Trainer, kam mit den neuen Herren. Er startete mit einem Auswärtssieg, hat jetzt aber auch zwei Niederlagen und ein Remis auf dem Konto.
„Romantik pur“
Der Aufstieg schon in dieser Saison – daran glauben nicht einmal die Fans. „Wenn sie im Januar nicht drei, vier neue Spieler holen, am besten mit Zweitliga-Erfahrung, dann wird das nichts mehr“, meint Roberto, seit 50 Jahren Fan bei Monza.
„Klar wollen alle den Aufstieg sofort. Ich habe aber die Ansage, in anderthalb Jahren eine Meisterschaft zu holen und vor allem dem Team eine offensive Spielweise beizubringen“, erklärt Brocchi. Und trotz der Niederlage muss man ihm lassen: Das Team ist offensiv eingestellt, kombiniert, rennt, bietet ein Spektakel. Ganz so, wie es Berlusconi will. Wie viele Niederlagen er dabei in Kauf nimmt, ist eine ganz andere Frage.
Warum Berlusconi sich diesen Provinzklub zulegte, fragen sich natürlich viele. Für Brocchi ist das „Romantik pur“. „Präsident Berlusconi und Senator Galliani lieben einfach den Fußball“, sagt er. Für Sportdirektor Antonelli kommen gar Suchtaspekte infrage: „Fußball ist wie ein Droge. Du kannst davon einfach nicht lassen“, meint er.
„Ordentliche Haare“
Bei ihrem „Drogen“-Konsum auf dem grünen Rasen bleiben Berlusconi und Galliani aber vergleichsweise realitätsfest. Ein neuer AC Mailand mit dem Ziel Champions League soll der SS Monza nicht werden. „Wir wollen in die Serie A, natürlich. Aber wir haben Geduld. Wir wollen das mit jungen Spielern, mit Italienern vor allem, erreichen. Es ist die alte Formel von Milan, aus den alten Zeiten: Der Kern des Teams sind Italiener, dazu kommen drei Ausländer“, fasst Antonelli die Strategie zusammen.
Berlusconi machte bei seinem bisher einzigen Auftritt in Monza weitere Vorgaben: „Unsere Spieler werden keine Tattoos haben und ordentliche Haare tragen.“ Für realistisch hält dies niemand. „Es geht aber darum, dass die Spieler ein professionelles Auftreten und ein gutes Benehmen haben“, erläutert Antonelli. Gute Schwiegersöhne also, Italiener vor allem und nur wenig Ausländer – das ist die Botschaft.
Das passt dann auch politisch. Mit patriotischen Werten und mit Verankerung in der Provinz errang die Lega Nord in den letzten Jahren die Deutungshoheit bei der politischen Rechten. Berlusconi traf sich jüngst mit Lega-Chef Matteo Salvini zum Ausloten neuer Allianzen. Mit dem AC Mailand machte Berlusconi sein Medienimperium und sich selbst bekannt. Das Engagement beim SS Monza könnte das politische Comeback flankieren.
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