■ Berlusconi und das Oberhaupt der Mafia sind sich einig:: „Mafiafilme schaden Italien“
Rom (taz) – Aus dem fernen Moskau klang es, aus dem Gerichtssaal hallte es wider: Filme über die Unterwelt, wie etwa „Allein gegen die Mafia“ (im Original: La Piovra), so Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi während der Visite im Kreml, seien schuld am schlechten Image Italiens.
Und da hat er recht, so jedenfalls ein berufener Mund, aus dem es bereits am Tag danach aus dem Gerichtssaal von Padua zurückhallte: Der dort gerade unter einem seiner vielen Prozesse stehende oberste Chef aller Mafiosi, Toto Riina, verlautbarte: „Berlusconi hat vollkommen recht. Es sind die Filme über die Mafia, die das Land ruinieren.“ O-Ton Berlusconi: „Das Ausland sorgt sich wegen der Mafia, dabei sind es nur gerade mal so um die hundert Desperados, die das Bild der rechtschaffenden Italiener verunstalten und den sonst längst eingetretenen Wirtschaftsaufschwung erschweren.“ O-Ton Riina: „Die Mafia ist sowieso nur eine Erfindung der Journaille. Filme wie La Piovra darf man einfach nicht machen.“
Italiens Münder blieben da vor Erstaunen offen; so offen, daß den meisten gar die wunderbare Situationskomik dieses „Gipfel-Konsenses“ zwischen Mafia- und Regierungsschef gar nicht auffiel. Humorlos jedenfalls rechnete zum Beispiel L'Espresso nach, wie groß die Handvoll Mafiosi denn in Wirklichkeit sei – und kam aufgrund wasserdichter Feststellungen der Gerichte auf gut 170.000 Mann, die in Mafia- und Camorra- Clans organisiert sind. Alarmiert zeigten sich auch Mafia-Experten wie der stellvertretende Vorsitzende der Anti-Mafia-Kommission, Pino Arlacchi. Er erkennt hinter der herzlichen Zustimmung des Chefs des höchsten Mafia- Leitorgans „Cupola“ Berlusconi über den vordergründigen Inhalt hinaus ein „eindeutiges Signal, das in der Mafiasprache bedeutet: wir stehen hinter dieser Regierung.“
So will das Berlusconi natürlich ganz und gar nicht sehen; doch tatsächlich haben die Sicherheitskräfte landauf landab die Eskorten für gefährdete Richter und Staatsanwälte, für einige Politiker und auch Journalisten verstärkt – speziell für solche, die neben ihrem Kampf gegen die Mafia auch noch gegen Berlusconi-Freunde oder Mitarbeiter ermitteln: „Durchaus möglich“, so ein Abteilungsleiter der Anti-Mafia-Polizei, „daß die Mafia ein Zeichen ihrer ,Loyalität‘ gibt und mal einen der Antikorruptions-Staatsanwälte umnietet.“
Mittlerweile hat der Regierungschef wohl erkannt, welch riesigen Image-Schaden er selbst mit seinen Äußerungen angerichtet hat, und beeilte sich zu versichern, daß er „den Kampf gegen die Mafia mit aller Entschiedenheit vorantreiben werde“, auch sei die in seiner Regierung diskutierte Abschaffung des „verschärften Gefängnisses für Bosse“ kein Thema mehr, die Separation werde gar bis zur „völligen Isolierung verschärft“.
Da kam denn selbst dem sonst verbissen dreinguckenden Toto Riina bei der nachfolgenden Gerichtssitzung ein breites Grinsen. Er selbst, der offiziell auf einer verlassenen Insel im Hochsicherheitstrakt sitzt, ist – wie die Anti-Mafia- Kommission entsetzt herausfand – seit seiner Verschiebung in den Isolationsknast vor einem Jahr gerade mal vierzig Tage dort gewesen. Den Rest der Zeit verbringt er auf gemütlichen Reisen zu den verschiedenen Prozessen, die gegen ihn in Palermo und Reggio Calabria, Padua, Rom und Neapel laufen. Und da kann er dann auch ausgiebig Botschaften an seine Unterführer übermitteln – oder gar, wie schon gehabt, regelrechte Todesurteile für unbequeme Aufklärer wie Pino Arlacchi oder den ehemaligen Vorsitzenden der Anti-Mafia-Kommission, Luciano Violante, aussenden. Werner Raith
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