Berlins neuer Finanzsenator: Herzlich, aber hart
Rigide im Kurs, freundlich im Ton: So gibt sich Ulrich Nußbaum beim ersten Auftritt vor Unternehmern.
Die ersten drei Wochen seiner Amtszeit als Finanzsenator müssen Ulrich Nußbaum an seine Zeit in Bremen erinnert haben. Die rot-rote Koalition schaukelt mit ihren Mehrheiten hin und her wie die Schiffe, mit denen Nußbaum als Fischhändler zu tun hatte. Und die Wogen der Finanzkrise tun ihr Übriges. "Ich bin es gewohnt, auf schwankendem Boden zu arbeiten", gibt sich der parteilose Ex-Bremer Finanzsenator und Unternehmer selbstsicher.
Wie diese Arbeit in stürmischen Zeiten aussehen soll, stellt Nußbaum, braun gebrannt und gut gelaunt, am Mittwochmorgen zum ersten Mal einer breiten Öffentlichkeit vor. Beim wirtschaftspolitischen Frühstück der Industrie- und Handelskammer wirbt er vor Unternehmern für einen klaren, aber knallharten Sparkurs. Ganz wie sein Vorgänger Thilo Sarrazin - doch der Ton ist ein gänzlich anderer. Nußbaum gibt sich freundlich und offen für Diskussionen, versöhnlich und verständnisvoll für allerlei Ansprüche an finanzielle Unterstützung - vom öffentlichen Dienst über gut verdienende Freiberufler bis hin zu Taxiunternehmen. Nur: "Dieser Haushalt bietet leider nicht sehr viel Spielraum."
Wie es die Höflichkeit gebietet, kritisiert er die "zu optimistischen Planungen der öffentlichen Haushalte", ohne Sarrazin konkret zu benennen. "Wir haben nicht ausreichend konsolidiert und die Boomjahre nicht zum Schuldenabbau genutzt", sagt er. Er rechnet damit, dass der Berliner Schuldenberg von derzeit 60 Milliarden Euro bis 2013 auf 70 Milliarden Euro ansteigen wird. Sarrazin ging noch im März von 63,2 Milliarden Euro aus. "Kein schöner Anfang" sei das für einen Finanzsenator, sagte Nußbaum, "aber das werde ich auch nicht verhindern können."
Einsparpotenziale sieht der auf Effizienz getrimmte Unternehmer allerdings allemal. Dazu reichten ihm erste Sitzungen im Aufsichtsrat bei BVG, Vivantes und der Charité, wie Nußbaum süffisant andeutet. Die landeseigenen Krankenhauskonzerne wollen Nußbaum zufolge 600 bis 700 Millionen investieren - bei einem Gesamtinvestitionshaushalt des Landes von 1,4 Milliarden Euro. "Das kann man so nicht machen. Da muss man eine abgestimmte Unternehmensstrategie entwickeln." Die laufende Neuverschuldung der BVG müsse gestoppt werden - womöglich durch höhere Fahrpreise: Man müsse darüber diskutieren, "ob die Subvention bestimmter Tickets es uns wert ist" und den Bürgern deutlich machen, was das koste.
Auch der Sinn so manch anderer Subvention entgeht dem neuen Finanzsenator. An die Adresse von Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei) gerichtet stellte er die rhetorische Frage: "Haben wir die Kraft, eigenständige Arbeitsprogramme zu schaffen?" Und beantwortete sie sogleich mit: "Ich denke nicht."
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