Berlins neue Wirtschaftssenatorin: Quereinsteigerin mit Ausdauer
Die neue Senatorin ist selbst in Branchenkreisen unbekannt - das kann für Sybille von Obernitz zur Herausforderung werden. Immerhin: Sie läuft Marathon. Heute wird sie vereidigt.
Eine der Grundvoraussetzungen für alle, die in der Berliner Wirtschaftslandschaft etwas bewegen wollen, bringt Sybille von Obernitz mit: einen langen Atem. Die neue Wirtschaftssenatorin ist Marathonläuferin. Über die fachliche Kompetenz und die Führungsstärke der Parteilosen ist indes wenig bekannt: Die Mitarbeiter in der Bildungsabteilung würden sie natürlich kennen, hieß es Mittwoch diplomatisch von der Unternehmer-Vereinigung UVB. Denn von Obernitz leitete bislang die Bildungsabteilung beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK).
Vom Zusammenschluss grüner Firmen, UnternehmensGrün, war zu hören: Wir kannten sie bisher nicht; durch eine besondere Affinität zu nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen habe sie sich nicht hervorgetan. Die gebürtige Augsburgerin war neben Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) die Überraschung, als der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und CDU-Chef Frank Henkel am Montag die Regierungsmannschaft für die nächsten fünf Jahre vorstellte. Von Obernitz lebt zwar seit fast 15 Jahren in Berlin, arbeitete aber in der Verwaltung, wenig beachtet von der Öffentlichkeit. Zunächst war sie bei der Industrie- und Handelskammer als Referentin für Geschäftsführer und Präsident angestellt, später wechselte sie zum Dachverband DIHK. Die 49-Jährige ist studierte Volkswirtin und hat drei Kinder.
In der Politik ist sie Quereinsteigerin - das ist Herausforderung und Chance zugleich. "Seiteneinsteiger in die Politik jenseits von Parteihierarchien finde ich immer gut", sagt etwa Andreas Buchner, Vorstand von UnternehmensGrün. "Sie hat eine Chance verdient, und ich sehe gute Aussichten, dass sie es gut macht." Der UVB-Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck formulierte es deutlicher: "Die Wirtschaftssenatorin muss sich als Quereinsteigerin schnell in die Strukturen der Berliner Wirtschaft einarbeiten", erklärte er. Von Obernitz kommt zu Gute, dass die Schwierigkeit des Jobs bekannt ist: Die Berliner Wirtschaft ist zwar dabei, sich aufzurappeln - aber niemand rechnet mit schwergewichtigen Ansiedlungen in den nächsten fünf Jahren. Es gehe vielmehr darum, eine Willkommenskultur zu schaffen, sagt IHK-Sprecher Bernhard Schodrowski. "Die Senatorin muss sehen, wo die Sorgen und Nöte sind, wichtig ist eben auch die Bestandspflege." Schodrowski ist überzeugt, dass die Arbeit beim DIHK dafür eine gute Lehre war. Dort bekomme man automatisch Unternehmensabläufe und Entscheidungsprozesse mit.
Von Obernitz selbst sagte beim CDU-Parteitag über ihre Qualifikation: "Ich komme aus der Bildung, aber mein Herz schlägt für die Wirtschaft." Beim Stockholm-Marathon brach die schlanke, blonde Frau, bei der CDU als einzige der neuen Senatoren noch per "Sie" ans Mikro gerufen, übrigens sieben Kilometer vor dem Ende ein - zog aber durch und schaffte es noch in 4:31 Stunden ins Ziel.
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