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Berlins marode Finanzen„Der Kurs ist falsch“

Der Rechnungshof kritisiert den auf Schulden setzenden Landeshaushalt. Präsidentin Klingen drängt auf Ausgabenkürzung und vermisst zentrale Steuerung.

Übt schärfere Kritik denn je an aus ihrer Sicht ausufernden Ausgaben des Landes Berlin: Rechnungshofchefin Karin Klingen Foto: Jens Kalaene/dpa

Aus Berlin

Stefan Alberti

Überbordende Ausgabenwünsche, gefährdete Zukunft Berlins: Der Landesrechnungshof hat am Donnerstag stärker denn je Berlins Haushaltspolitik und die dafür Verantwortlichen kritisiert. Behördenpräsidentin Karin Klingen fasste bei der Vorstellung ihres Jahresberichts viele einzelne Kritikpunkte so zusammen: „Der aktuelle Kurs ist falsch.“ Der Rechnungshof macht dafür vor allem fehlende Steuerung und Planungsfähigkeit verantwortlich.

Klingens Behörde ist ein vom Senat unabhängiges Organ der Finanzkontrolle, das prüft, ob die öffentliche Verwaltung Steuergelder rechtsgemäß und wirtschaftlich ausgibt. Vor Klingens Amtsantritt 2018 war die Vorstellung des Jahresberichts eher ein Termin der Rubrik „Kurioses“, in der skurrile Einzelfälle im Vordergrund standen. Klingen und das mit ihr siebenköpfige Direktorium ihrer Behörde kritisieren aber zunehmend den Landeshaushalt in Gänze. Schon im Frühjahr 2024 sagte Klingen im Abgeordnetenhaus: „Ich appelliere an Sie: Steuern Sie um!“

Ihre Kritik und ihre Appelle vom Donnerstag wirkten nochmals drängender und intensiver – eine Wahrnehmung, die Klingen auf Nachfrage ausdrücklich bestätigte. Sie erinnerte daran, dass ihre Behörde vergangenes Jahr durchaus noch Sparbemühungen der Landesregierung gelobt hatte. Damalige „zaghafte Versuche“ dazu vermisst sie nun. Der Haushaltsplan solle „eigentlich ein Kompass sein, wie sich Berlin entwickelt“, sagte Klingen, „aber beim besten Willen ist kein klarer Kurs zu erkennen.“

Der Rechungshof kritisiert vor allem, dass der Haushalt für 2026 und 2027, den das Abgeordnetenhaus am 18. Dezember beschließen soll, auf Pump lebt. Klingen verwies auf die hohe Kreditaufnahme und die dann vollständig aufgebrauchten Rücklagen. „Das kann keine dauerhafte Lösung sein“, sagte sie. Nach jetzigem Verlauf werde das Land 2029 rund 84 Milliarden Euro Schulden haben – „das nimmt Berlin fast jede Gestaltungsmöglichkeit“.

Sparen, sparen, sparen

Nicht nachvollziehen mochte sie, dass sich die Koalitionsfraktionen vorige Woche dafür lobten, sie hätten vom Senat vorgesehene Kürzungen verhindert – „die Realität lässt sich nicht dauerhaft verhindern“. Klingen prangert an, dass es zu Verschuldung kommt, obwohl die Steuereinnahmen steigen würden. Ihre Behörde sieht „uferlose Ausgaben“, die Berlins Zukunft gefährden würden. Berlin müsse wieder tun, was es verlernt habe: sparen.

Die von der Behörde geprüften Bereiche der Verwaltung seien zwar sehr vielfältig und unterschiedlich. Alle aber würden ein Grundproblem zeigen: Es fehle an zentraler Steuerung. Vizepräsident Django Peter Schubert stellte das anhand der Situation am Molkenmarkt vor, jener Dauerbrache in der Nähe des Roten Rathauses, für die es seit den 1990er Jahren Planungen gibt. Seit 2016 schon gebe es einen Bebauungsplan, aber es werde nicht gebaut. Stattdessen gebe es viel zu breit angelegte, aufwendige, teure „und in weiten Teilen nicht notwendige“ Beteiligungsprozesse, Werkstätten und nochmalige Diskussionen. Die Verfahrenskosten dafür bezifferte er auf 5,2 Millionen Euro.

Schubert widersprach der Annahme, es falle in die Entscheidungskompetenz der Politik, auf zusätzliche Beteiligung zu setzen. „Wenn ein Bebauungsplan festgesetzt ist, dann muss es losgehen“, sagte er. Passieren soll das nach seiner Kenntnis nun aber erst 2029.

Danach gefragt, ob es nicht fruste, dass Empfehlungen des Rechnungshofs offenbar verhallten, sagte Klingen: „Es hätte auch noch schlimmer kommen können.“ Die Rechnungshofpräsidentin hat nach eigenen Wort durchaus den Eindruck, gehört zu werden. Man müsse allerdings „ein dickes Fell haben“.

„Wir nehmen diese mahnenden Worte sehr ernst“, reagierte darauf gegenüber der taz der haushaltspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Christian Goiny. „Aber die Situation ist ja auch schwieriger geworden.“ Zudem passen aus seiner Sicht manche Forderungen des Rechnungshofs nicht zusammen – Dinge vorantreiben, die Infrastruktur in Schuss halten, aber keine neuen Kredite aufnehmen. Letzteres lässt sich für Goiny aber nicht vermeiden: „Wir sind in der Situation, dass wir ohne Neuverschuldung nicht auskommen.“

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