Berlinmusik: Indieeintopf, Clubmenü
Mit einem guten Gemüseeintopf ist es doch so: Man nehme Zutaten, die man besonders gern mag, rühre sie zusammen, schütte ein bisschen Brühe darauf – und es schmeckt super. Ganz simple Kiste. Dieses einfache Erfolgsrezept scheint Mother of the Unicorn, eine seit etwa zwei Jahren aktive Indierockband aus Berlin, auf die eigene Musik übertragen zu haben: Das Quartett um den aus London übergesiedelten Songwriter und Sänger Joe Kelly hat nur die besten Zutaten für den eigenen Sound ausgewählt: eine Prise The Sea And Cake, sechs Esslöffel Pavement, ein bisschen pürierten Damon Albarn, 500 Gramm Pinback und als Bindemittel die besseren Sachen von The National. Fertig ist der Indieeintopf, und für ein Debütmenü schmeckt „Variations“ wirklich geradezu ausgereift und delikat, vor allem aber fein gewürzt, denn die Songs sind verspielt, klackern schön (etwa in „Lunch Time“– wie passend) und fransen hier und da etwas aus – acht Tracks, von denen keiner abfällt. Mal sind sie eher Singer/Songwriter-orientiert, mal wird es tanzbarer („Fabric“). Wer mit genannten Bands etwas anfangen kann, der sollte bei diesem auf Späti Palace, dem neuen Feinschmeckergroßhandel mit spitze Gusto, erschienenen Werk ruhig zulangen.
Zum zweiten Gang begeben wir uns dann in den Club: Und wieder stoßen wir da auf ein Debütalbum, und zwar jenes des so umtriebigen wie vielseitigen Musikers und Produzenten Antonio de Spirt. De Spirt, der sich als Musiker La Boum Fatale nennt, hatte als Appetitanreger schon einige Tonträger veröffentlicht, die zwischen Electronica, Dubstep, House und Jungle changierten. Damals wurde er noch von Levente Pavelka unterstützt, der die Band jedoch inzwischen verlassen hat. Nun veröffentlicht De Spirt mit „Holygram“ das erste Hauptgericht – er selbst wirkt dabei als Küchenchef und hat sich diverse Hilfsköche wie etwa den dänischen Musiker Asbjørn („No Tongue in Cheek“) oder Sebastian Cleemann alias Petula, der bei einem der besten Tracks singt („When We Fall / Razor Wires“), ins Boot respektive in die Küche geholt. Die Offenheit gegenüber allen Genres – Dubstep, Techno, Deep House, Pop und Indie – ist dem Album anzuhören, „Holygram“ sind zehn Stücke feinsinniger, toll produzierter elektronischer Tanzmusik. Für jeden, der mit besagten Genres etwas anfangen kann, dürfte daher auf diesem starken Debüt etwas dabei sein. Jens Uthoff
Mother of the Unicorn: „Variations“ (Späti Palace)
La Boum Fatale: „Holygram“ (Sinnbus/Rough Trade)
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