piwik no script img

BerlinmusikKomm nach draußen

Man möchte Guido Möbius’ Anweisungen im zweiten Track seines neuen Albums allzu gerne Folge leisten: „Komm nach draußen“, singt er in einem angenehm krautrockigen Outdoor-Hit, während der Hörer einem stabilen Frühsommer entgegensehnt. Als aber dieses Stück beginnt seine Schleifen zu drehen, hat man das erste Highlight seines neuen Albums schon hinter sich: in den sieben Minuten des einleitenden Titeltracks „Batagur Baska“ gibt es dichte, vielschichtige Experimentalmusik, die nicht nur in die Khmer-Sprache einführt (Gastsänger ist Prak Chum aus Kambodscha), sondern einen zunächst in Staunen und dann in einen Flow versetzt. Der unterwegs „Nach draußen“ fortführt.

Möbius zählt zu den umtriebigsten Musikliebhabern der Stadt. Als Promoter und Musikverleger ist er mit viel Herzblut bei der Sache – fast vergisst man, dass der Typ darüber hinaus sehr spannende Musik macht. Auf „Batagur Baska“ hört man randständigen Sound, bei dem elektronische Klänge mit Gitarren-/Bassläufen, Blockflöte, Drums und Gesang in verschiedenen Sprachen zusammenkommen.

Bei aller Liebe zum Wummern und Wabern, zum Klackern und Knistern bleibt „Batagur Baska“ aber meist gut hörbar, ist zum Teil gar melodiös. Bei Songs wie dem in alle Richtungen ausschweifenden „Windsurfing Chile“ stellt sich das etwas anders dar – er ist beim Hören durchaus mit Anstrengung verbunden. Die von Andreas Gogol gesungene Fantasiesprache macht es nicht einfacher, aber unterhaltsamer („Ausdruck ohne Bedeutung, das finde ich toll“, sagt Möbius zu diesem dadaistischen Sprechgesang).

Im folgenden Stück„-ing“ dagegen hört man zwar ein fast nervenzerfetzendes Quietschen im Hintergrund, aber der darüber gelegte, choral anmutende Gesang (könnte glatt eine Melodie von Wire sein) mit einprägsamer Harmonie und Pfeifen besänftigt. Gegen Ende der garantiert keine Sekunde langweiligen guten halben Stunde Musik läuft Möbius mit dem verfrickelten „Moloch“ und dem groovigen, von Schreien unterlegten „Call The Police Now“ noch mal zu großer Form auf.

Möbius’ sechstes Soloalbum rückt im Ganzen trotz aller instrumentalen Verspieltheit oft die menschliche Stimme in all ihren Artikulationsformen in den Vordergrund – das macht dieses Album singulär und besonders. Und den verschrobenen Sound, den Möbius kreiert, schätzt man mit jedem Mal Hören mehr. Jens Uthoff

Guido Möbius: “Batagur Baska” (Shitkatapult/Morr Music), 9. 4., 22 Uhr, Urban Spree

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen