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Berliner Wohnungspolitik"Wutmieter" auf der Straße

Mietpreissteigerungen und "Gentrifizierung" sind in Berlin heiße Wahlkampfthemen. An einer "Mietenstopp"-Demo durch Kreuzberg und Neukölln beteiligten sich am Samstag Tausende Menschen.

Nicht ohne meine Topfpflanze - Demo für "Mietenstopp" am Samstag in Berlln-Kreuzberg. Bild: dpa

BERLIN dpa | Die Mieten in der Hauptstadt sind längst Wahlkampfthema - nun gehen die "Wutmieter" auf die Straße. Unter dem Motto "Mietenstopp - damit noch was zum Leben bleibt" versammelten sich nach Polizeiangaben am Samstagnachmittag mehr als 2500 Demonstranten auf dem Hermannplatz und zogen durch Kreuzberg. Die Veranstalter zählten 6000 Teilnehmer. Die Abschlusskundgebung am Oranienplatz endete am Abend mit Livemusik. Rund 500 Polizisten überwachten den Aufzug, der nach Angaben der Einsatzkräfte ruhig und friedlich blieb.

Zu der Demonstration hatte vor allem ein Bündnis aus verschiedenen Stadtteilinitiativen aufgerufen. Die Initiativen protestieren gegen steigende Mieten, die einkommensschwache Bewohner aus ihren angestammten Kiezen verdrängen würden, um Gutverdienenden in luxussanierten Wohnungen Platz zu machen. Der Politik werfen sie vor, den "Gentrifizierung" genannten Verdrängungsprozess zu unterstützen, indem auch landeseigene Gesellschaften ihre Mietpreise erhöhten und zusätzlich weiterer Wohnraum privatisiert würde. Die Demonstranten forderten entsprechend bezahlbare Mieten. Jeder habe in Berlin ein Recht darauf, dort wohnen zu können, wie und wo er wolle, sagte eine Sprecherin des Protestbündnisses.

Möglich werden die jüngsten Mietpreisanhebungen durch den neuen Mietspiegel 2011, an dem sich auch städtischen Wohnungsunternehmen wie Howoge und Gewobag orientieren. Von einer Mietenexplosion könne jedoch keine Rede sein, sagte ein Sprecher des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). Die Erhöhungen bewegten sich in einer Größenordnung von zwei Prozent.

Mitten im Wahlkampf für das Berliner Abgeordnetenhaus haben die Parteien die Mieten- und Wohnungsbaupolitik inzwischen wieder auf ihre Agenda gesetzt. Die Regierungsparteien SPD und Linke versprachen mehr Mieterschutz. Die Grünen-Spitzenkandidaten Renate Künast dagegen sieht bei der rot-roten Koalition eine Mitverantwortung für die angespanntere Lage auf dem Wohnungsmarkt, weil der Senat die ehemals landeseigene Wohngesellschaft GSW privatisiert hatte. Auf der Demonstration durften sich die Parteien aber nicht äußern. Die Veranstalter hatten schon im Vorfeld Parteiplakate und Flyer von Parteien für unerwünscht erklärt.

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11 Kommentare

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  • F
    Fahsig

    Mieterhöhungen an sich sind nicht immer verkehrt, wenn der Vermieter investieren muss und wenn dadurch die Wohnqualität steigt. Überzogene Mieterhöhungen ohne Gegenleistung, und wenn die Vermieter die Häuser gleichzeitig verkommen lassen, kann ich aber nicht nachvollziehen. Das schafft einen idealen Nährboden für Mietbetrüger: sie bieten Wohnungen zu einem verhältnismässig günstigen Mietpreis an, und nach Unterzeichnung des Mietvertrages stellt der Mieter fest, dass das Dach undicht ist, dass es in der Wohnung schimmelt, und der Schimmel nur überstrichen wurde, oder ähnliches. Es gibt so einige, die sich darauf spezialisiert haben, einen Mieter nach dem anderen abzukassieren. Und die Mühlen der Justiz mahlen langsam.

  • P
    Philipp

    @ganz einfach:

    Also das halte ich wiederum für wesentlich einfacher umzusetzen als neuen Wohnraum zu schaffen. Die Bewerbungen für eine Wohnung müssten eben anonymisiert erfolgen. Vergleichbar mit anonymisierten Bewerbungen für einen Arbeitsplatz, die es zum Teil in Deutschland ja schon gibt und in anderen Ländern noch verbreiteter sind.

  • GE
    ganz einfach

    Oh je die Mitenfrage ist doch eines der wenigen Probleme die auch gut im hier und jetzt gelöst werden könnten. Mietendeckelung (gabs ja schonmal), wieder sozialer Wohnungsbau und Neubau. Schwupps gibts mehr Wohnraum und sollte die Nachfrage das Angebot überschreiten, ist trotzdem nicht mehr das Einkommen Entscheidungsfaktor. Gelöst ist damit allerdings noch nicht sowas wie rassistische Vergabepolitik der WOhungseigentümer

  • P
    Philipp

    @mammuth!: Nein, ich denke nicht, dass steigende Mieten das gerechtere Instrument zur Verteilung von Wohnraum sind. Ich sehe aber wenig Anreiz einen ungerechten Zustand durch einen ebenso ungerechten zu ersetzen. Eine gerechte Lösung für das zweifelsfrei existierende Problem scheinst du auch nicht zu haben, sonst hättest du sie in deinem Kommentar vielleicht erwähnt. Sicher, eine Lösung ist schwierig und Bedarf wohl einer regen lösungsorientierten Diskussion. Aber deshalb kann ich doch nicht eine vom Protestbündnis propagierte Schnellschuss-Lösung unterstützen, die auch wieder nur Menschen gegeneinander ausspielt.

     

    @Brzzz: Wenn ich deine zwei Stichpunkte zur praktischen Umsetzung der Forderungen richtig verstehe, dann könnte so das Problem steigender Mieten entschärft werden. Die Forderung jede solle dort wohnen können wo er will, kann so aber auch nicht umgesetzt werden. Denn die Zahl der Wohnungen wird so ja nicht erhöht. Man müsste in beliebten Kiezen massiv neue Wohnungen bauen. Wahrscheinlich würde es in besonders beliebten Wohnlagen so aussehen, dass möglichst viele Menschen auf einer möglichst geringen Grundfläche wohnen können. Das bedeutent dann wohl Wohnhochhäuser a la Plattenbau. Absolut unmöglich sind dann natürlich Bebauungen wie an der S Storkower Straße hinterm Kaufland. In den Townhouses können ja nur wenige Menschen leben. Vielleicht müsste auch der ein oder andere Altbau weichen, um einer effizienteren Wohnflächennutzung Platz zu machen.

  • B
    brunftschreis

    So ein Quatsch - die Demonstranten sollten konsequenterweise die Systemfrage stellen in der Marktwirtschaft hat keiner das Recht so wenig Miete zu bezahlen wie er sich vorstellt. Und um eine Lanze für die Vermieter zu brechen: Der Unterhalt von Häusern ist teuer, die Regierung subventioniert die Handwerksbetriebe und die Plastikindustrie durch ihre Energieverordnungen und auch das wird früher oder später auf die Mieter umgelegt. Hausbesitzer verdienen sich in den seltensten Fällen ein goldene Nase vor allem nicht in den sozial schwachen Regionen

  • A
    andreas

    Unsere Miete in Steglitz wurde in den letzen 5 Jahren um genau 5 Euro erhöht...

    Berlin ist mehr als die Mitte, die früher Randberlin war.

    Und genau wie Randberliner verteitigen diese Menschen ihr Gebiet...mehr nicht.

    Eine Klientel die die Vorzüge zentraler Lage möchte ohne dafür mehr bezahlen zu wollen.

    In Berlin sind immer noch 100.000 Wohnungen frei...

    Nur eben im uncoolen

    Marzahn

    Tegel

    Spandau

    Hellerdorf usw

    ...aber da will der Hippe-Bürger ja nicht wohnen!!

     

    Ein uncooler Steglitzer

    P.S Ich warte nur noch darauf das demnächst das Auto eines Menschen jüdischen Glaubens aus New York brennt, der nach Mitte gezogen ist.

    Was dann ?!?

  • M
    mammuth!

    @Baumrinde: Natürlich kann nich jeder alles umsonst haben und darum geht es hier auch nicht! Hier gehts darum, Menschen, von dem Ort zu vertreiben, an dem sie zusammen leben, ihre Kultur zu zerstören und dabei den größtmöglichen Profit für ein paar Wenige rauszuholen. Und da ist es sehr wohl angebracht, zu demonstrieren und sich nicht alles gefallen zu lassen.

  • B
    Baumrinde

    Jeder hat das Recht dort zu wohnen, wo er will. Genau! Und die Arbeit zu bekommen, die er will und auch das Auto, das er will. Sehe ich auch so. Und zwar umsonst, bitteschön!

  • B
    Brzzz

    Praktische Umsetzung:

    - staatliche Wohnungsbaugenossenschaften sollen kaitaldeckedn arbeiten und nicht ihre Mieten dem Markt anpassen

    - staatliche Wohnungsbaugenossenschaften sollen neutral vermieten...

     

    Steht doch auch so im Text man! Naja zumindest angedeutet.

     

    Natürlich ist das auf ein Klientel zugeschnitten! Ist Politik immer. Wenn der zuständige Senator meint, dass genügend Wohnungen zur Verfügung stehen würden ist es doch ganz klar das das betroffene Klientel Politik für sich beansprucht. Die Frage nach "Gerechtigkeit" ist da mehr oder minder fehl am Platz.

     

    Warum wollen denn alle in die schönen Kieze ziehen? Diejenigen die dort aktuell leben haben normalerweise die Kieze attraktiv gemacht. Es waren die Studis und eben die Geringverdiener, welche einstmals unattraktive Wohngegend zu schönen Kiezen umgestalteten. Und nachdem sie wie Pionierpflanzen diese Gegende schön gewohnt haben werden sie verdrängt. Das ist ungerechter als das andere Studis jetzt nicht mehr hinziehen können ...

  • M
    mammuth!

    @Philipp: Du suggerierst, das steigende Mieten das Mittel sind, den Wohnraum gerecht zu verteilen. Damit betreibst du Klientelpolitik zum Vorteil der Reichen! Wahrscheinlich ist das auch dein Grund, die taz anzuklicken...

  • P
    Philipp

    "Die Demonstranten forderten entsprechend bezahlbare Mieten. Jeder habe in Berlin ein Recht darauf, dort wohnen zu können, wie und wo er wolle, sagte eine Sprecherin des Protestbündnisses."

     

    Da auch ich von der Problematik steigender Mieten betroffen bin sympathisiere ich mit Forderungen für günstigere Mieten.

    Ich frage mich jedoch wie die oben zitierte Forderung des Protestbündnisses ganz praktisch umgesetzt werden soll? Es gibt doch mit Sicherheit Kieze in denen die Nachfrage nach Wohnraum das Angebot übersteigt. Wie soll das vorhandene Angebot nun gerecht verteilt werden?

    Gerecht ist es schließlich auch nicht, wenn der aktuelle Stand eingefroren wird und es Menschen nicht mehr möglich ist in den Kiez zu ziehen. Es ziehen wohl nicht nur Leute mit genug Geld um, sondern vielleicht auch ein zu Niedriglohn Beschäftigter in der Marzahner Platte. Mit der Miete, die er zahlen kann, hebt er wahrscheinlich nicht das allgemeine Mietniveau, aber wenn bereits alle Wohnungen belegt sind; was dann?

    Mir drängt sich etwas der Verdacht auf, dass hier letztlich auch nur Klientelpolitik gemacht wird. Nämlich zu Gunsten derer, die bereits dort wohnen, wo viele Menschen auch gerne leben möchten.