Berliner Wohnungsmarkt: Zuzügler setzen Prenzlauer Berg unter Druck
Der Wohnungsmarkt ist alles andere als entspannt, sagt eine neue Studie. Vor allem in Prenzlauer Berg und Friedrichshain steigen die Mieten rasant
Bisher wiegelten Statistiker und Politiker gern ab, wenn es um den Berliner Wohnungsmarkt ging. Alles entspannt, hieß es, es folgte ein Verweis auf München oder Frankfurt. Um so bemerkenswerter waren die Worte, die am Dienstag bei der Vorstellung des Marktberichts 2008 der Investitionsbank Berlin (IBB) fielen. Von einem "schwierigen Verhältnis" zwischen Einkommens- und Mietpreisentwicklung war die Rede und von Befürchtungen, dass die Menschen rund um den Kollwitzplatz womöglich künftig nicht mehr in der Lage sein würden, ihre Mieten zu bezahlen.
Damit wurden offiziell Sorgen von Soziologen und Trendforscher bestätigt: In einzelnen Kiezen in Prenzlauer Berg und flächendeckend in Friedrichshain wird es brenzlig. Die Schere zwischen Miete und Kaufkraft klafft. Familien mit Kindern, die eine größere Wohnung suchen, müssen oft wohl oder übel den Kiez verlassen. "Der Kollwitzplatz blättert aus", bilanzierte Arnt von Bodelschwingh, der im Auftrag der IBB die Studie erstellte. Und Matthias Kämmer von der IBB warnte: "Im Ergebnis ist in einigen innerstädtischen Lagen fraglich, ob die soziale Mischung auf Dauer erhalten bleibt."
In ganz Berlin gibt das anhaltend niedrige Einkommensniveau Anlass zur Sorge. Da die Mieten steigen, dürfte bezahlbarer Wohnraum längerfristig knapp werden, so die IBB in ihrem Bericht. Und da die kaufkraftschwachen Haushalte eher in den innerstädtischen Gegenden wohnen, konzentrieren sich hier die Probleme. Selbst in Prenzlauer Berg und Friedrichshain finden sich Räume, in denen die Menschen unterdurchschnittlich Geld zur Verfügung haben.
Dort sorgen neben steigenden Mieten auch die Zuzügler für Druck: Wer sich für Berlin entscheidet, geht in die szenigen Ostbezirke. Und die Wegzügler versuchen so nah wie möglich an ihrem angestammten Kiez dranzubleiben. "In der Gegend Invalidenstraße/Schwartzkopffstraße tut sich derzeit einiges", sagte von Bodelschwingh. Das Viertel liegt benachbart zum Arkonaplatz und daran anschließend zum Kollwitzplatz.
Der Trend, dass die Menschen gern nah an ihrer alten Wohnung bleiben, zeigt auch ein Blick auf Nord-Neukölln. "Überraschend eindeutig" ist dort sichtbar, dass vor allem Berliner aus den nördlich angrenzendem Kreuzberg und aus Friedrichshain in die preisgünstige Gegend ziehen, so von Bodelschwingh. Auch wenn er sich mit Analysen zurückhielt - nahe liegt, dass die niedrigeren Mieten die Zuzügler anziehen.
Für den Reuterkiez zeichnet sich dadurch nach der jahrelangen Dümpelei ein leichter Aufwärtstrend ab. Ob sich langfristig ähnliche Spannungen wie in den Nachbarbezirken entwickeln, ist zumindest nicht auszuschließen. Von Bodelschwingh warnte indes, voreilig Parallelen zu ziehen - einen zweiten Kollwitzplatz werde es in Berlin wohl nicht geben, sagte er.
Der Leerstand wird laut dem Bericht dank der steigenden Zahl an Singlehaushalten und der Finanzkrise zurückgehen. Manches geplante Prestigeobjekt wird wegen der Kreditklemme auf Eis gelegt, wie von Bodelschwingh prognostizierte. "Sehr viele Projekte werden nicht realisiert." Derzeit stehen etwa 100.000 Wohnungen leer, zum großen Teil schon länger.
Angebot und Nachfrage decken sich offenbar ungenügend - doch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gibt sich auf der Suche nach Lösungen für die angespannte Mietsituation in manchen Kiezen zurückhaltend. Die Verwaltung wolle weiter kleinräumig beobachten, sagte Wolf Schulgen von der Senatsverwaltung. "Man könnte darüber nachdenken, dass landeseigene Betriebe in einzelnen Teilbereichen Wohnungen aufkaufen", sagte er dann auf Nachfrage. Damit könnte das Land langfristig preiswerten Wohnraum sichern. Aber grundsätzlich sei er erst einmal froh, dass der Bestand der Wohnungsbaugesellschaften gehalten werde.
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