Berliner Weihnachtsferien verlängert: Die Tugend, Fehler zu korrigieren
Lange hat Schulsenatorin Scheeres gesagt, es sei unmöglich, die ultrakurzen Weihnachtsferien zu verlängern. Nun geht es doch. Warum nicht gleich so?
E s ist ein Graus, Fehler einzugestehen und vielleicht sogar richtig zu stellen. Erst recht für Politiker*innen, die ja dafür gewählt werden, alles richtig zu machen – oder, in der Opposition, zumindest das Richtige zu fordern. Bisweilen fragt man sich aber schon, ob die Korrektur eines Fehlers nicht auch eine politische Tugend sein könnte. Und ein Gewinn für alle Beteiligten.
Da wäre das Beispiel der Berliner Weihnachtsferien, die in diesem Jahr tatsächlich nur vom 24. Dezember bis zum 2. Januar dauern sollten. Die Daten waren seit 2019 bekannt. Als Grund für die, erst recht im Bundesvergleich gesehen, arg kurze Auszeit nannte die Schulverwaltung von Senatorin Sandra Scheeres (SPD), dass 2022 ein Brückentag nötig werde vor dem von Rot-Rot-Grün neu eingeführten Feiertag am 8. März. Dadurch sei das dem Land Berlin, wie auch allen anderen Ländern zustehende Kontingent von 75 Ferientagen pro Jahr für dieses Schuljahr erschöpft gewesen.
Viele Familien, die Weihnachten nicht in Berlin verbringen wollen, standen deswegen vor einem Problem: Sollten sie die Fahrt etwa zu den Großeltern erst am 24. Dezember antreten und damit riskieren, Heiligabend im ICE oder im Stau auf der Autobahn zu verbringen?
Seit die taz im August darüber berichtete, stand das Problem nun auch öffentlich im Raum. Aber noch im September bemühte die Schulsenatorin im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses eigens konstruierte Argumente, um eine Verlängerung der Ferien nicht umsetzen zu müssen: Das wäre ein großes Problem für die Arbeitgeber*innen, die sich auf den Zeitplan längst eingestellt hätten, sagte sie da.
Unterrichtsfrei statt Ferientag
Am Mittwoch hat sich Scheeres dann aber doch zu einem Zugeständnis durchgerungen: Zumindest der 23. Dezember ist nun unterrichtsfrei – und damit offiziell (aus rechtlichen Gründen) kein Ferientag. Aber in der Praxis macht das keinen Unterschied.
Bleibt die Frage, warum sich die Schulsenatorin so lange zierte, den coronageplagten Schulkindern dieses Weihnachtsgeschenk zu machen, das ja offensichtlich gar nicht so politisch unmöglich war, wie anfangs behauptet, und an dem sich auch die Arbeitgeber*innen kaum stören? Zu verlieren hat Scheeres auch nichts mehr; sie gehört dem nächsten Senat aus eigenem Willen bekanntlich nicht mehr an. Und auch aus den Reihen der Koalition wurde früh Unterstützung signalisiert. So schrieb etwa die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Regina Kittler, auf Twitter: „Da hätte ich doch lieber auf den Brückentag 7. März verzichtet.“ Scheeres hätte also auch mit einer schnellen Entscheidung nur gewinnen können.
Vielleicht ist die bei vielen Politiker*innen zu bemerkende Sturheit der Grund, einmal – vielleicht sogar im Konsens – getroffene Entscheidungen überhaupt noch mal zur Diskussion zu stellen. Schließlich haben die meisten genug zu tun und sind froh über jedes Häkchen auf der To-Do-Liste. Da übersieht mensch dann selbst einfache Lösungen oder beschäftigt sich gar nicht so richtig mit dem Problem, so wie in diesem Fall.
Mit dem vorschnellen Aufbieten von Argumenten, die Scheeres dann selbst wieder abräumen musste, hat die Senatorin nun leider ein bekanntes Politiker*innenbild bedient, wonach diese weniger Argumenten zugänglich sind, als vielmehr der eigenen Programmatik. Schade eigentlich.
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