Berliner Verwaltungsreform: Jetzt bloß keine halben Sachen
Senat oder Bezirk? Wenn es bei der angestrebten klaren Aufgabenzuordnung nicht die nötigen Finanzmittel gibt, kann die Reform nicht klappen.
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Dass Wegner die Reform will, steht außer Frage. Das hat weniger damit zu tun, sie nachher als großen politischen Erfolg feiern zu können. Das wäre die Reform zwar. Aber anders als eine für alle sichtbare neue Brücke, zehntausende mehr Wohnungen oder beitragsfreie Angebote lässt sich damit kein Wahlkampf machen – eine effizienter arbeitende Verwaltung ist für die Wähler eben nur mittelbar spürbar.
Eine gelingende Reform ist für den Regierungschef vielmehr aber die Basis, andere Ziele zu erreichen. Gerade beim Wohnungsbau – und damit einem messbaren und sichtbaren Feld – rufen Verbände und Investoren seit langem nach klaren Zuständigkeiten. Das muss gar nichts, wie etwa vom Naturschutzbund Deutschland beim Schneller-Bauen-Gesetz kritisiert, mit eingeschränkten Beteiligungsmöglichkeiten zu tun haben. Allein wenn sich Bezirke und Senatsverwaltungen oder Senatsverwaltungen untereinander nicht länger streiten, wer für ein Thema zuständig ist oder nicht, ist viel Zeit gewonnen, sind Blockaden aufgelöst, die viele sinnvolle Vorhaben blockieren.
Dass es diesen seit Jahrzehnten währenden Streit überhaupt gibt, hat viel damit zu tun, dass Berlin seit seiner Gründung als Stadtstadt die Quadratur des Kreises versucht. Die Stadt ist zugleich Bundesland, seine Bezirke sind aber keine eigenständigen Gemeinden. Und so hat etwa die für fast 400.000 Menschen zuständige Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in Pankow – rein rechtlich kein Parlament, sondern Teil der Verwaltung – weniger Macht als etwa der Gemeinderat des brandenburgischen Kleinmachnow mit sein bloß 20.000 Einwohnern gleich hinter der südwestlichen Landesgrenze. Es gibt kein direkten Steuern, der Haushalt besteht aus einer von der Senatsfinanzverwaltung zugebilligten Summe.
Quadratur des Kreises
Dass es die Bezirksämter und die BVV überhaupt gibt, rührt in dem Wunsch, die Dinge der 4-Millionen-Stadt nicht zentral und damit vorwiegend aus Berlin-Mitte zu entscheiden. Doch wie viel Macht wo? Und wann ist das sogenannte gesamtstädtische Interesse berührt? Das sind die zentralen Fragen, um die es letztlich auch in den aktuellen Gesprächen über die Verwaltungsreform geht.
Wie groß derzeit die Chance ist, dass es klappen könnte, zeigt, mit welcher Nervosität ganz verschiedene Organisationen in der Stadt die laufenden Gespräche verfolgen. Ein breites Bündnis aus 20 Initiativen vom Paritätischen Wohlfahrtverband über den Migrationsrat bis hin zur Industrie- und Handelskammer veröffentlichte vergangene Woche einen „dringenden Appell“, die Reform nicht scheitern zu lassen, nachdem so etwas in der CDU-SPD-Koalition zu drohen geschienen hatte.
Ein ganz zentraler Punkt: Zuständigkeiten und Aufgaben zuzuschreiben hilft wenig weiter, solange das nur im Gesetz oder künftig vielleicht sogar in der Landesverfassung steht. Die jeweilige Ebene muss auch sicher sein, dafür das nötige Geld und das erforderliche Personal zu bekommen. Der unter den Verhandlern dazu übliche Begriff ist „Konnexität“ – als die ausdrückliche Verbindung zwischen Auftrag und Mitteln. Eigentlich müsste das unstrittig sein – man schickt ja, um mal einen Vergleich zu benutzen, niemanden ohne Geld zum Bierholen.
Im Dezember, so hat es Wegner am Dienstag nach der Senatssitzung gesagt, will die schwarz-rote Regierung das angestrebte neue Landesorganisationsgesetz ausdiskutiert und als Entwurf beschlossen haben, danach soll das Abgeordnetenhaus daraus ein Gesetz machen. Aus dem Lieblingsthema des Regierungschefs würde so ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk – nicht nur für Wegner, sondern für alle Berliner.
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