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Berliner SzenenBesinnungslos im Flowmarktflow

Michael Brake
Kolumne
von Michael Brake

Jeden zweiten Sonntag ist Flohmarkt am Maybachufer. Eine gute Gelegenheit, um auszumisten. Doch was wollen die Leute nicht mal geschenkt?

Jeder darf sich nehmen! Foto: M. Brake

S chon seit Monaten steht eine Kiste mit Zeug bei mir rum. Dinge, die ich nicht mehr brauche, die aber zum Wegwerfen zu schade sind.

Nun ist jeden zweiten Sonntag „Flowmarkt“ am Maybachufer, und rund um die offiziellen Buden wuchert bis in die Seitenstraßen eine muntere Schattenwirtschaft mit wilden Ständen und fliegenden Verkäuferinnen. In diesem Setting, so mein Plan, werden meine Dinge bestimmt mitgenommen von den vielen Menschen, die dort alle schon ganz wuschig und besinnungslos im Flowmarktflow herumflanieren.

Am ersten Septembersonntag schaffe ich es endlich. Ich trage die Kiste die Sanderstraße entlang, schon dort haben zwei kleine Mädchen einen Stand aufgebaut. Die eine will ein Verkaufsgespräch beginnen, aber die andere fährt dazwischen: „Nein, der kann nicht, der hat seine Hände nicht frei.“

Meine Sachen drapiere ich auf der Hobrechtbrücke. Es sind unter anderem: eine Fünf-Liter-Gießkanne mit einem winzigen Riss; ein Wachsgießen-Set; eine Metalldose in Form einer kitschigen Eule; ein auf Vintage gemachtes Autoschild, Kuba-Souvenir meiner Mutter; eine altersschwache klobige TV-Antenne; ein Mercedes-Stern, aber ein großer, vom Frontkühlergrill, den ich als 15-Jähriger mal stolz erbeutet habe; diverse chinesische Raubkopie-DVDs, darunter „Miami Vice“; Luftschlangen, originalverpackt.

Auf die Pappkiste schreibe ich: „For free / Nehmt euch. Rest hole ich heute Abend ab und schmeiß ihn weg“, dann gehe ich noch ein Eis essen, Kürbiskern-Vanille, denn dieser Tage weiß man ja nie, ob es das letzte Mal ist.

Als ich gegen 21 Uhr wiederkomme, ist es noch ungewöhnlich warm draußen. Die Kiste ist quasi leer! Es sind nur noch eine Fake-­Leder-Handyhülle und eine CD drin. Ich bin offenbar ein Flowmarkt-Verkaufsgenie.

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Michael Brake
wochentaz
Jahrgang 1980, lebt in Berlin und ist Redakteur der Wochentaz und dort vor allem für die Genussseite zuständig. Schreibt Kolumnen, Rezensionen und Alltagsbeobachtungen im Feld zwischen Popkultur, Trends, Internet, Berlin, Sport, Essen und Tieren.
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2 Kommentare

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  • Lieber Verfasser, als Neuköllner Unternehmung ist auch der Flowmarkt bei der Initiative schoen-wie-wir.de mit dabei. Das Maybachufer ist daher nach dem Markt immer sauberer als vor dem Markt. Um Ihre Hinterlassenschaften hat die sich daher die Marktleitung selbst gekümmert und auch auf Ihre Kosten entsorgt. Ist doch toll, dass in der Stadt einfach so viel "automatisch" funktioniert, wa?

    • Michael Brake , Autor des Artikels, wochentaz
      @Flowmaster:

      Lieber Flowmaster, ja, ist toll, dass der Flowmarkt bei einer solchen Initiative mitmacht.

      Da ich bei Ihnen einen eventuell, vielleicht, möglichweise ganz leicht passiv-agressiven Unterton herauslese, bei so Begriffen wie Hinterlassenschaften und "automatisch", also quasi: Ich hab mein Zeug da abgestellt und dann musste es jemand anders entsorgen... Wie im Text beschrieben, war ich abends wieder da, um die Reste meiner Sachen abzuholen, es stand auch auf der Kiste. Also von daher: Danke, aber wäre nicht nötig gewesen.

      Zwei Fragen treiben mich nun aber um:



      1. Warum waren die Kiste, die eine CD und die Handyhülle dann noch da, und auch ein Klamottenberg weiter links?



      2. Ist das "Ihre" da eigentlich extra groß geschrieben? Das würde ja bedeuten: Auf meine Kosten. Das müssen Sie nochmal erklären. Danke!