Berliner Szenen: Bild für Omma
100 Euro
Fup kriegt von Omma zum Geburtstag 100 Euro geschickt. Mit der Post. Im Briefumschlag. Wie Ommas das eben so machen, um anschließend jeden Tag anzurufen, ob der Brief schon da ist oder ein Bösewicht sich das Geld unter den Nagel gerissen hat. Natürlich wird das Geld sofort konfisziert, nicht vom Bösewicht, sondern von mir. Nicht auszudenken, was Fup sich alles kaufen würde. Pokémon-Karten, bis sie ausverkauft sind. Warum nicht noch ein paar Spinner?
Ich sage Fup, dass er Omma jetzt mal anrufen muss, um sich zu bedanken. Er sagt: „Danke für das Geld, Oma, aber Papa hat es schon verloren.“ – „Stimmt gar nicht“, rufe ich, „ich weiß nur nicht, wo ich es hingelegt habe.“ Danach muss ich Omma beruhigen, immer wieder sagen, dass das Geld nicht weg ist.
„So, und jetzt mal’ doch mal ein Bild für Omma“, sage ich. Tatsächlich setzt sich Fup an meinen Schreibtisch und malt. Ich erkenne vier Figuren, zwei deutlich, die anderen beiden nur mit Fantasie. Dazwischen mit Rotstift Striche und Flecken. Ich verstehe nichts. Fup muss mir die Komposition erklären. Ein Mann mit viereckigem Kopf hält in jeder Hand einen Hundert-Euro-Schein. Der Mann links daneben schießt ihm in den Kopf, symbolisiert mit einem Strich und einem roten Fleck am Ohr. Die Scheine fallen auf dem Boden und werden von einem anderen Mann aufgehoben, der aber ebenfalls von jemanden, der auf dem Rücken liegt, mit einer Pistole erschossen wird; jedenfalls ist die Figur, die es trifft, mit einem Rotstift durchgestrichen.
Die vielen Verbindungslinien, um Bewegung und Schüsse optisch darzustellen, sind sehr verwirrend. Wäre es nicht so ein Krickelkrackel, wäre das Bild sehr brutal. Vielleicht hat Fup seinen Konflikt mit mir zeichnerisch verarbeitet? Ich glaube, ich schicke Omma die Zeichnung lieber nicht.
Klaus Bittermann
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