Berliner Szenen: Whatsappen mit Charlotte
100 Prozent
„Ich habe Prozente“, ruft Fup freudig erregt. „Was für Prozente?“, frage ich. „Hier“, sagt Fup und zeigt mir auf meinem alten Handy, mit dem er über WhatsApp Nachrichten verschicken und empfangen kann, den Ladezustand der Batterie. „Ach so“, sage ich, „75 Prozent, da kannst du noch viel whatsappen.“
Zufrieden und mit großem Eifer deckt er seinen Freund Vicco und seine Verwandtschaft mit Smileys und gesprochenen Nachrichten ein, die in der Regel lauten: „Hallo, hier ist Fup, wie geht es dir? Mir geht’s gut.“
Jetzt hat er zwei Sprachnachrichten von der zehnjährigen Charlotte bekommen, die zwei Köpfe größer ist als er und die er in den Ferien kennengelernt hat. Eine von Charlottes Freundinnen, die sich das Handy von Charlotte geschnappt hat, schickt ihm eine Sprachnachricht: „Ich soll dir von Charlotte sagen, dass sie dich mag und in dich verknallt ist.“ Wie bitte? Aber da kommt schon die nächste. Diesmal von Charlotte selbst: „Das, was du gerade geschickt bekommen hast, also, das stimmt gar nicht. Ich bin gar nicht in dich verliebt. Nur damit du es weißt.“ Aus dem Hintergrund tönt die Stimme der Freundin: „Doch das stimmt, das stimmt.“ Daraufhin Charlotte: „Leni, jetzt halt endlich deine Schnauze.“ Tja, was antwortet man am besten auf eine solche Nachricht? Fup schreibt zurück: „Hahahahaha!“ Das scheint mir angemessen zu sein.
Fup sitzt wieder an der Ladestation seines Handys. „Was machst du da?“, frage ich. „Ich hab jetzt schon 100 Prozent“, sagt Fup. „Ja und?“ – „Ich will, dass es endlich mehr wird. Gleich ist es so weit.“ – „Nein, mehr wird’s nicht. Es gibt nur 100 Prozent“, sage ich. „Nein“, sagt Fup, „ich hab schon mal 200 Prozent geschafft.“ – „Quatsch, 100 Prozent, dann ist die Batterie voll“, sage ich. „Mann, dir muss man immer alles beweisen“, sagt Fup verärgert.
Klaus Bittermann
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