Berliner Szenen: Schwerverletzt
Ein letzter Wunsch
Fup trägt jetzt am rechten Fuß eine Schiene und hat in jeder Hand eine Krücke. Der Arzt, der ihn untersucht, sagt, dass irgendwelche Knochen verrutscht und wahrscheinlich die Bänder gedehnt sind. Fup freut sich, dass er nicht mehr in die Schule muss. „Morgen ist Wochenende“, sage ich. „Dann kann ich ja nächste Woche zu Hause bleiben“, sagt Fup. „Am Montag kannst du wieder in die Schule gehe“, sagt der Arzt. „Aber ich bin doch krank“, sagt Fup. „Du hast was am Fuß, nichts am Kopf“, sagt der Arzt, „oder magst du die Schule nicht?“
„Doch doch“, beeilt er sich zu sagen. Ich glaube, Fup geht ganz gern in die Schule, aber zu Hause kann er sich jetzt bedienen lassen. Das macht er ohne lädierten Fuß allerdings auch. Er sagt „Wasser“, und schon steht wie durch Zauberhand ein Glas Wasser vor ihm, oder „Schokolade“ bzw.: „Kann ich Schokolade?“ Das gibt dann zwar eine längere Diskussion, bei der ich jedoch meistens den Kürzeren ziehe, vor allem dann, wenn Fup so schwer verletzt ist wie jetzt.
Da kann ich ihm seinen letzten Wunsch schließlich nicht abschlagen, denn wie ein allerletzter Wunsch hört sich sein Flehen, Schreien, Quengeln und Stöhnen an, als ob sein Leben davon abhinge und es augenblicklich erlöschen würde, wenn die lebensrettende Schokolade nicht auf der Stelle verabreicht werden würde. „Wie hast du das denn geschafft?“, frage ich Fup, werde jedoch aus der Beschreibung nicht richtig schlau.
Irgendwie ist er auf eine „Kampfstange“, auf der man sich gegenseitig runterwirft, gesprungen und abgerutscht. Das verstehe ich, aber nicht, wie diese straußeneigroße Schwellung zustande kommt. Als sein Erzieher anruft, damit ich ihn abhole, denke ich noch, jaja, wird schon so was sein. Wahrscheinlich langweilt er sich bloß und will zu Hause Schokolade. Oder Käsekuchen bei Monsieur Ibrahim. Klaus Bittermann
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