Berliner Szenen: Gebreake und Gedance
Fliegende Illusionen
Zur alarmierenden Nachricht vom großen Purzelbaumsterben (die taz berichtete) passte die Red Bull Flying Illusion-Show am Wochenende im Tempodrom: Alle Purzelbäume, die moppelige appgelenkte Teenies nicht mehr schlagen können, finden dort aber so was von einem neuen Zuhause! Dass man Breakdance überhaupt auf ein derartig hohes Niveau hieven kann – allein vom Zuschauen bekam ich stante pede bewundernde und prophylaktische Rückenschmerzen.
Teile der Show erinnern in ihrem cleveren Mix aus Tanz, Illusionen und Video einerseits an den Vorspann einer Marvel-Comic-Serie, bloß eben mit richtigen Menschen, die tatsächlich über Superkräfte verfügen. Und andererseits, vor allem wegen des von den Gebrüder Bhatti ideenreich realisierten Sounds aus Orchestermusik und HipHop, an einen expressionistischen Stummfilm mit orchestraler Livemusik. B-Boy Benny dreht auf dem Kopf so viele „Air Flares“, dass es einen schwindelt, „Powermover“ Junior springt und hüpft ausschließlich auf seinen Armen über die Bühne und fällt dann wieder und wieder in eine Art akrobatischen Yoga-Sonnengruß.
Genau jener Junior hat sich als Zweijähriger in seinem Geburtsland Kongo mit Polio infiziert und trainierte seine Arme vor allem so stark, weil sein rechtes Bein bei der Show (und in seinem Leben) keine Rolle spielt. In einem Interview hat dieser Junior gesagt: „Tanzen ist etwas, das mir Halt gibt – genau wie mein Gehstock.“ Wow.
Wenn ich wenigstens Beatboxing könnte, das über Kraftwerks „Boing Bum Tschak“ hinausgeht – ich würde sofort bei der Truppe anheuern und schauen, ob dieses ganze Gebreake und Gedance meinem chronischen Bandscheibenvorfall nicht den Garaus zu machen vermag. Aber realistisch gesehen sitze ich am Ende wohl doch nur an der Kasse. Jenni Zylka
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