Berliner Szenen: Privatsphäre am Kotti
Automatenporno
Neulich war ich am Kaiser’s am Kotti zum Burger-Essen verabredet. Ich hatte Hunger, einen Bärenhunger, und malte mir beim Warten genüsslich die Kombination aus saftigem Patty, fluffigem Brötchen und triefendem Ketchup aus, als sich in mein imaginäres Burger-Bild plötzlich ein reales Pärchen schob.
Beide waren betrunken und stritten sich lautstark über die Frage, ob ein weiteres Sterni jetzt nötig sei oder nicht. Normal, dachte ich mir und hielt hungrig Ausschau nach meinem Freund. Die Stimmung der beiden wurde im Sekundentakt aggressiver, die Frau schrie: „Du hast doch noch ein fast volles Bier, trink dat doch erst mal und nerv mich nicht.“ Normal, dachte ich mir und lief ein paar Meter weiter.
Als ich mich umdrehte, war das Pärchen verschwunden. Verwundert schaute ich nach links und rechts, bis mein Blick am Fotoautomaten haften blieb. Ich habe ja schon vieles am Kotti erlebt, aber das, was ich jetzt erblickte, überstieg meine Vorstellungskraft bei Weitem. Ich sah die entblößten Unterkörper des eben verschwundenen Pärchens. Der Vorhang der Kabine reichte leider nur bis zum Genitalbereich, der nun gegenseitig stimuliert wurde. Fassungslos riss ich die Augen auf.
Plötzlich riss der Typ den Vorhang kurz zur Seite und ein unbekanntes Flugobjekt näherte sich mir. Ich wich einen Schritt zurück und sah einen blutigen Tampon vor meinen Füßen liegen. Die Lust auf Ketchup war schlagartig verflogen. Dann tauchte mein Freund endlich auf, er folgte meinem Blick zum Automaten, wo der Typ mittlerweile versuchte, sein schlaffes Glied in sie einzuführen. Dieses sexuelle Spektakel hatten inzwischen auch einige Jungs mitbekommen, die nun den Vorhang öffneten, um den Automatenporno mit ihren Smartphones zu filmen. Lieber weg, dachten wir und liefen in Richtung Restaurant, als wir den Typen im Automaten schreien hörten. „Verpisst euch, kann man hier nicht mal mehr Privatsphäre haben!?“ Eva Müller-Foell
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