Berliner Szenen: Einkaufen mit M.
Ein Saftladen
Neulich war ich mit M. im Bastelladen, Magnete kaufen. M. ist stark sprachbehindert und kannte das Wort „Bastelladen“ nicht; er hat außerdem den Tick, Dinge nicht ein- oder zweimal auszusprechen, sondern gut ein Dutzend Mal.
Bastelladen ist recht schwer auszusprechen. Das „st“, damit kommt er sonst auch nicht gut zurecht. Als ich ihm sage, dass wir in den Bastelladen gehen, neigt er seinen Kopf nach unten und fragt nur kurz: Wie? Dann murmelt er irgendwas vor sich hin; später fragt er noch mal, dann noch mal, noch mal und so weiter. Er lernt langsam, aber mit viel Freude.
Dieses Mal fällt der Groschen, als ich mir von einer freundlichen Verkäuferin das Magnetsortiment zeigen lasse. „Ja, und wenn Sie ein Band kaufen und die selber auseinanderschneiden, dann kommt Sie das sehr viel billiger“, sagt sie, gerade als hinter uns M. laut zu rufen beginnt, dass wir ja jetzt in diesem Saftladen seien. „Wir sind im Saftladen!“, ruft er, während der Verkäuferin die Freundlichkeit aus der Miene tropft wie Kerzenwachs. „Ähm“, sagt sie, und daraufhin sagt wieder M: „Im Saftladen!“ Er grinst dabei so breit, als hätten wir an der Bong gefrühstückt.
Die Verkäuferin sieht mich fragend an, ich zucke mit den Schultern. Nach zwei oder drei weiteren halb gebrüllten „Im Saftladen!“ beschließe ich, dass die nette Verkäuferin jetzt genug gelitten hat, und sage: „Genau, wir sind im Bastelladen.“ – „Jo“, antwortet M., „schön hier.“ Dann grinst er die Verkäuferin an, die leicht verstört an ihrer Halskette herumnestelt.
Ich nehme das Band und gehe, die verdatterte Verkäuferin im Schlepptau, zur Kasse. Sie fragt noch nicht einmal, ob wir eine Tüte haben wollen. Erst als ich sage, ich bräuchte den Kassenbon, kommt sie wieder zu sich. Als M. sich freundlich von ihr verabschiedet, lächelt sie schon wieder. Frederic Valin
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