Berliner Szenen: Feiern in Berlin
Müde eigentlich
U6 Mehringdamm, 3 Uhr morgens. Eine Gruppe junger Erwachsener diskutiert, guckt auf Handys. Ein Mädchen kommt auf uns zu. „Wir wollen hier in Berlin ausgehen, wissen aber nicht, wohin“, sagt sie. Mit langen Fingernägeln fährt sie über ihr Smartphone-Display. „‚The Pearl‘ wird hier empfohlen. Es ist am Ku’damm, den anderen ist das aber zu weit. Was denken Sie?“
Ich denke zunächst mal, dass es irgendwie netter wäre, sie würde mich nicht siezen und mir dadurch so ein altes Gefühl geben. „Sorry, ich gehe nie aus, ich kenne das ‚Pearl‘ nicht …“, ziehe ich mich aus der Affäre. Mein Freund sagt: „Warum geht ihr nicht ins Gretchen? Oder Kater Blau? Oder einfach nach Friedrichshain, da findet sich schon was …“ Ein junger Mann mischt sich ein: „Nee, im Gretchen waren wir. Das war so schmuddelig und alt da. Warum ist in Berlin alles so gammelig? Also bei uns, in Augsburg, da gibt es eine Großraumdisko, die ist riesig! Da haben sogar Rammstein gespielt. Das müssen Sie sich mal vorstellen, mit Feuerwerfern und allem.“
Ein weiteres Mädchen kommt dazu: „Eigentlich sind wir zu müde zum Ausgehen. Aber wenn man schon mal in Berlin ist, na ja … Da muss man halt.“ Ich empfehle ihnen, einfach ins Hotel zu gehen und zu schlafen. Finden sie nicht gut. Ich überlege, ihnen das Berghain ans Herz zu legen. Als ich frage, warum sie es dort nicht probieren, gucken sie mich groß an: „Berghain? Nie gehört.“ Ich frage, was sie in Berlin machen. Sie sind Jura-StudentInnen und haben einen Workshop gemacht, es ging um Rechtsberatung von Geflüchteten. „Das war schon interessant. Aber ich bin doch echt froh, wenn ich wieder nach Hause komme“, schließt das Mädchen vom Anfang das Gespräch ab. Unsere Bahn kommt, wir zeigen ihnen noch schnell, wie sie zum Ku’damm kommen. Nicola Schwarzmaier
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen