piwik no script img

Berliner SzenenPlatter Reifen

Rausgerissen

Morgen mach ich ’n Fahrradladen auf, nur für dich

Es ist ein schöner Sonntagabend im Görli. Ich versuche mich am Trendsport Acro-Yoga; dabei liegt ein Mensch auf dem Boden und streckt die Beine in die Luft, und ein anderer vollführt auf dessen Füßen allerhand beeindruckende Verrenkungen.

Irgendwann dreht sich mir der Kopf und die Muskeln machen schlapp. Aber ich bin nicht die Einzige, der die Luft ausgegangen ist – als ich den Heimweg antreten will, überrascht mich mein Rad mit einem platten Vorderreifen. Ausgerechnet an einem Sonntag! Vor meinem inneren Auge sehe ich mich schon die nächsten zwei Tage zu Fuß zur Arbeit gehen. Diese Fahrradläden machen ja auch immer erst um zehn Uhr auf.

Aber erst mal muss ich wohl nach Hause schieben, vom Görli bis zum Mehringdamm. Unterwegs versuche ich mein Glück an mehreren Aufpumpstationen, vielleicht reicht es ja wenigstens bis nach Hause, denke ich. Aber nix da. Der Kompressor vor einem Fahrradladen in der Nähe macht keinen Mucks, kein Druck drauf. Nächster Versuch: die Tankstelle am Hermannplatz. Ich nähere mich hoffnungsvoll der Luftstation – und finde einen ausgefransten Schlauch ohne Adapter. „Wurde uns heute rausgerissen“, sagt der junge Mann hinter der Kasse. „Aber wenn du willst, trag ich dir dein Rad nach Hause. Und morgen mach ich’n Fahrradladen auf, nur für dich.“ Zu nett gemeint – da schiebe ich lieber selbst.

Am nächsten Abend – der Spaziergang zur Arbeit ist wirklich schön – will ich vor Ladenschluss schnell mit meinem platten Reifen ins Fahrradgeschäft um die Ecke. Ich schiebe mich vorbei an veganen Currywurstbuden und Geschäften mit fair gehandelten Leinenklamotten. Prall gefüllter Reifen, ich komme! Aber mein Fahrradladen, er ist nicht mehr. Stattdessen stehe ich vor einem Fachgeschäft für Naturkosmetik. Dinah Riese

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen