Berliner Szenen: Freundlich, gut im Bett
Ein Buch zu schreiben, ändert vieles im Leben. Die Ernährung zum Beispiel, und dann noch die Einstellung zu möglichen anderen Lebensentwürfen.
I ch habe meine Ernährung umgestellt. Also nicht in Richtung Detox oder Glutenfrei, sondern in Richtung Edamame. Seit ich entdeckt habe, dass der Späti in meiner Straße tiefgekühlte Sojabohnen hat, esse ich das, öhm, dreimal die Woche. Es ist nicht mein Standardspäti, sondern der Sekundärspäti, 100 Meter weiter weg, dafür mit Schwerpunkt Asien.
Wenn ich ein Tiefkühlfach hätte, müsste ich nur einmal die Woche hingehen, so muss ich jedes Mal neu hin. Heute auch. Als ich aus dem Laden komme, sagt einer der Typen, die immer davor sitzen: „… Freundlich, gut im Bett …“ Es ist nur ein Teil von einem Satz, aber er redet so entspannt, und ich lebe so dynamisch, dass ich nicht mehr mitkriege. Freundlich, gut im Bett. Überlege, meine Twitter-Bio so zu ändern. Überlege, jemand zu sein, der vorm Späti sitzt und kein Twitter hat.
Mmmmh. Vorm Späti sitzen und kein Twitter haben. Seit ich dieses Buch schreibe, sind andere Lebensentwürfe für mich sehr attraktiv geworden. Hauptsächlich solche, wo man Feiertage und Urlaubstage hat. Könnte ich auch haben, gebe ich mir aber nicht. Weil Buch. Ich bin meine eigene Arschlochchefin, eines der seltenen deutschen Wörter mit Doppel-ch.
Warum arbeite ich nicht in einem Büro, wo man irgendwelche Dinge in Ablagen tun kann und Kuchen backen muss, wenn man Geburtstag hat? Abends würde ich erotische Geschichten ins Brigitte-Forum schreiben und dann schlafen gehen in einem Schlafanzug von Tchibo. Wär das schön? Vielleicht wär es schön. Morgens würde der Wecker klingeln und in der Küche vom Büro würden wir über die Chefin lästern, weil das ist eigentlich das Würdeloseste am Buchschreiben, dass man immer über sich selbst lästern muss. Zu Hause koche ich die ganze Tüte Edamame, esse sie auf dem Sofa und schreibe bis 8 Uhr früh.
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