Berliner Szenen: Nummer im Krankenhaus
Haut nicht hin
Auf dem Kopf hatte ich einen kleinen dunklen Fleck, und der Hautarzt meinte, den sollte man lieber wegmachen. Er sah, wie verunsichert ich war, und schlug vor, ich könnte in die Haut-Ambulanz einer bestimmten Klinik, für eine Zweitmeinung. Die Klinik war groß wie eine Kleinstadt. Erst musste ich zur Anmeldung. Da sollte ich was unterschreiben. Als ich Anstalten machte, zu lesen, was ich unterschreiben sollte, trafen mich Blicke wie Pfeile. In Ruhe durchlesen, bei der Anmeldung? Geht gar nicht. Dann musste ich eine Wartenummer ziehen.
Das Wartezimmer war voll. Es gab mehrere Türen, dort gingen Leute in Kitteln rein und raus. Ein Kontrast zu uns Patienten in sitzender Trägheit. Die Nummer auf dem Display zeigte an, zu welcher Tür man musste. Bei der Untersuchung dann diese subtilen Signale, die einem ohne Worte sagen: Stellen Sie uns jetzt bloß keine Fragen, Sie sehen doch, wie viel Stress wir haben. Kurz darauf hatte ich einen Zettel in der Hand mit einem Termin für eine Mini-OP und ich ging bedröppelt weg. Vermutlich dachte ich auch so was wie: Aus Krankenhäusern sind Profit-Fabriken geworden.
Bei der OP holte mich eine Krankenschwester in einen Vorraum, zeigte auf Pantinen und Kittel, sollte ich anziehen, schwupp, war sie weg. Kafkaesk, dachte ich. Kurz darauf lag ich auf einem OP-Tisch, die Krankenschwester saß an einem PC, ich glaube, sie sagte „Scheiß-Computer“, weil es gerade einen Systemabsturz gab. Ich dachte, gleich kommt der Arzt, der mich untersucht hat. Aber es kam eine Ärztin, die ich nicht kannte. Kurz darauf hatte ich ein Stück Haut vom Kopf weg und Mull, den ich auf die Wunde drücken sollte. Nach ein paar Tagen kam das Ergebnis, Fleck harmlos. Was man von der Wirkung des neoliberalen Gesundheitswesens aufs Gemüt nicht sagen kann. Giuseppe Pitronaci
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