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Berliner SzenenBrandgefährlich

Berliner Grammatik

„Eine Bombe?“, fragt er entsetzt, schreibt ins Vokabelheft

In der Bäckerei Steincke neben dem U-Bahnhof Dahlem-Dorf sitzen an einem regnerischen Sonntag mehrere ältere Damen und ein einzelner Mann mit Zeitungen und Magazinen auf den Fensterplätzen. In der Mitte des großen und hellen Raumes sitzen sich eine junge Frau mit Afro im Businesskostüm und ein Japaner, im Anzug über Schulbücher gebeugt, gegenüber.

Der Japaner sieht angestrengt in sein Buch und versucht, einen Satz zu bilden: „Ich brenne ein Papier ab.“

Die junge Frau mit Afro schüttelt den Kopf: „Bei Papier würde man nicht abbrennen sagen.“ „Abbrennen“, erklärt sie ihm, „tut man beispielsweise ein Haus.“ Er sieht sie groß an. Sie fährt fort: „Anzünden tut man eine Kerze, eine Zigarette oder eine Bombe.“

„Eine Bombe?“, fragt er entsetzt, schreibt etwas in sein Vokabelheft, sieht dann wieder auf und versucht, einen neuen Satz zu bilden: „Sie brennen die Häuser von Flüchtlingen ab.“ Sie schüttelt wieder den Kopf. „Da sagt man dann doch wieder anzünden. Sie zünden die Häuser von Flüchtlingen an.“

„Aber warum?“, fragt er. Sie zuckt mit den Achseln und sagt: „Deutsch ist richtig verrückt, weißt du. Mein nigerianischer Vater spricht manchmal grammatikalisch besser als meine Berliner Mutter. Der Berliner kann kein Deutsch.“

Er sieht sie groß an und fragt ungläubig: „Ja?“ Währenddessen tippt er japanische Schriftzeichen in seinen Übersetzer. Sie sagt: „Ja. Die Berliner gebrauchen beispielsweise statt Akkusativ Dativ.“

„Dativ?“, fragt er und tippt weiter. „Ja“, sagt sie. „Die sagen zum Beispiel mir statt mich. Also: Ich freu mir statt ich freue mich.“ Er zieht ein deutsch-japanisches Wörterbuch aus seiner Jackentasche, blättert eine Weile darin und zeigt dann auf ein Wort. „Brandgefährlich“ liest sie laut. Eva-Lena Lörzer

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