Berliner Szenen: Schlecht vernetzt
Ortswechsel
Der bei allen beliebte Badmintoncoach unseres Vereins hat kürzlich beschlossen, nach acht Jahren Deutschland nach Dänemark zurückzukehren. So ein Quatsch, dachte ich zuerst. Hatte er Angst, die Rechten würden Expats wie ihn irgendwann nicht mehr einreisen lassen?
Immerhin hatte der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen von der rechtsliberalen Venstre Partei gleich nach seiner Wahl im Juni angekündigt, Grenzkontrollen wieder einzuführen. Das Auswärtige Amt riet Autofahrern dringend davon ab, Anhalter nach Dänemark mitzunehmen. Sofern diese Personen keine Ausweispapiere mit sich führten, hieß es, unterstellten die dänischen Behörden Menschenschmuggel und ordneten sofortige Untersuchungshaft an.
Das war krass, aber wohl kaum ausschlaggebend für unseren Badminton-Freund. Als Künstler erhält er regelmäßig gut dotierte Stipendien aus der Heimat, ist Vater dreier entzückender blonder Mädchen und Besitzer einer geräumigen Eigentumswohnung in einem angesagten Bezirk. Soweit ich das beurteilen kann, ist er glücklich verheiratet.
Trotzdem ist er unzufrieden. Wenn ich ihn richtig verstehe, hat er das Gefühl, am falschen Ort zu sein. Gerade hat man ihm das Atelier unterm Arsch weggentrifiziert, die deutsche Sprache macht ihm Mühe, auch nach acht Jahren noch, das wirkt sich auf die Kontakte aus, die Karriere stagniert. Dabei dachte ich immer, er sei bestens vernetzt.
So sei das nun mal, sagte er zu mir. Es sei wirklich schwer zu erklären. Wir standen in der Umkleide, in der es immer etwas muffelt. In Kopenhagen sollen seine Kinder eine deutsche Schule besuchen, auch wenn die Schule weit weg ist von der neuen Wohnung. Wenn er daran denke, was er in Berlin zurücklasse, sagte der Trainer, bekomme er sofort Heimweh.
Sascha Josuweit
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