Berliner Szenen: Abschiedstanz
Ein Diebstahl
Kurt stand an der Theke meiner Stammkneipe. Er sah etwas niedergeschlagen aus. „Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“, fragte ich ihn. „Ach, mir ist gestern etwas Blödes passiert. Willst du die Geschichte hören?“ „Klar“, sagte ich. „Leg los.“
„Es war so gegen Mitternacht auf der Rosenthaler Straße. Ich hatte bereits einige Biere getrunken, bekam Hunger und holte mir noch eine Pizza Prosciutto. Ich war also auf dem Heimweg mit meiner Prosciutto in der Hand, als mich zwei arabisch aussehende junge Männer auf Englisch fragten, ob ich wisse, wie sie zum Bahnhof Zoo kommen könnten. Beide waren sehr freundlich und ich erklärte ihnen den Weg zum Hackeschen Markt, sagte, dass sie von dort aus mit der S-Bahn zum Bahnhof Zoo fahren könnten. Sie bedankten sich und der eine sagte noch: „Thank you man, give me five.“ Ich zögerte, hatte in der einen Hand ja noch die Pizza, wollte einfach weitergehen. Aber der Typ bestand darauf und ich dachte: Na ja, was soll’s. Ich gab ihm also meine freie Hand zum Abklatschen. Aber anstatt nur abzuklatschen, hielt er meine Hand fest und begann irgendwie merkwürdig mit mir zu tanzen. Ich war irritiert, fand das komisch, aber dann ließ er auch schon wieder von mir ab. Zum Abschied bedankten sich die beiden dann noch einmal ganz herzlich bei mir. Als ich fünf Minuten später zu Hause ankam, merkte ich, dass sie mir gerade mein nagelneues iPhone aus der Hosentasche geklaut hatten.
„Am nächsten Morgen“, fuhr Kurt fort, „meldete ich den Diebstahl.“ Der wachhabende Polizist meinte nur, dass sie gerade ungefähr fünfzehn Handydiebstähle pro Tag hätten und die Aufklärungsquote gegen null tendiere. „Manchmal ist das Leben doch einfach nur Scheiße.“ „Genau“, erwiderte ich. „Und auf dieses scheiß Leben trinken wir jetzt noch ein Bier. Bist eingeladen. Prost, Kurt.“ Alem Grabovac
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