Berliner Szenen: Flüchtlinge
Besser ohne Penis
Es geht los. Wir wollen ein bis vier Flüchtlinge bei uns aufnehmen. Ein Zimmer in unserer WG ist vorübergehend leer, warum also nicht?
Ich bereite alles vor. Ich putze, beziehe Betten, richte Obst und Schokolade, Kosmetik und Handtücher. Bücher? Ja, Bücher sind gut. Ich besitze nur zwei englische Bücher. Das eine ist ein Bildband über Schlösser in Frankreich und das andere ein Buch über Rhetorik, damit man so erfolgreich wird wie Barack Obama. Ich lege sie auf den Tisch. Damit es nicht zu kompliziert wird, lege ich ein Asterixheft dazu.
Ali aus Pakistan und Mohammad aus Syrien werden unsere Gäste. Sie sprechen keine gemeinsame Sprache. Ali kann gut Englisch, das macht alles leichter. Mohammad spricht kein Wort Englisch, das macht alles komplizierter. Ali ist schon lange auf der Flucht und kommt gut zurecht. Mohammad ist still und in sich gekehrt, er hat Syrien erst vor vier Wochen verlassen. Beide rauchen viel und trinken gerne Milch mit mindestens zwei Teelöffeln Zucker darin.
Am ersten Abend fällt mir auf, dass unser WG-Toiletten-Buch „The Big Penis Book” nicht mehr mit dem Cover nach vorne auf dem Schränkchen gegenüber dem WC steht, sondern umgedreht wurde. Oh je, blöder Fauxpas.
Mohammad hat Angst vor Chibi, meinem Hund. Er schüttelt die Hände vor dem Körper und weicht zurück. Nach zwei Tagen überwindet er seine Scheu und streichelt ihn genauso innig und liebevoll wie wir anderen. Als er vier Tage später von seinem Cousin abgeholt wird, zeigt er stolz, wie er jetzt mit Hunden umgehen kann. Sein Cousin schimpft auf Arabisch. Ich frage meinen Freund, ob er gesehen hat, dass das Buch umgedreht wurde. Er lächelt und sagt: „Ja, das habe ich gemacht. Ich wollte nicht, dass Sie das komisch finden. Puh.“Nicola Schwarzmaier
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