Berliner Szenen: Anderer Liebhaber
Ein Sonntagnachmittag in Neukölln. In irgendeinem Paralleluniversum macht der Sommer eine kleine Pause. Ein Paar tauscht Liebesbekundungen aus.
E in Sonntag im Trockenen (dieser Sommer scheint ja wieder ein verregneter zu werden; monatelang wartet man, dass es endlich losgeht mit der Wärme, und dann das). Das traute Paar geht spazieren; es geht zu einem Friedhof, der Mann posiert auf einem Foto neben dem Grab des Begründers der Sprachwissenschaften, später zieht es sie zum Flohmarkt. Die Kirchenglocken sind befriedigt und still. Die Bäume sind schon lange ergrünt.
Die anderen machen einfach immer weiter mit ihrem Leben, niemand hört mit etwas auf. Und da sitzen sie jetzt in einem Restaurant für Hipster, einer dieser doch kurzlebigen Kaschemmen, die in meiner Straße aufgemacht haben. Und von irgendwo kommt Musik. Die Musik füllt den Raum mit Watte. Es ist leichte, wohl bekannte Popmusik.
„Ich liebe dich“, sagt sie.
„Ich dich auch“, antwortet er.
Das Lied, der Soundtrack zu dieser irrealen Szene, ist ausgerechnet „Anotherloverholenyohead“ von Prince. Gerade erklingt der Refrain davon: „You need another lover / holding your head.“ Warum Prince da „head“ singt und nicht „hand“, weiß man nicht. Wieso er den Titel so umständlich buchstabieren lässt, auch nicht.
Aber Moment, der Refrain lautet korrekterweise ganz anders: „You need another lover / like you need a hole in your head.“ Das soll Ironie sein, und im Anschluss beteuert die Stimme, dass es eben keinen anderen braucht und dass auch kein anderer ihre Bedürfnisse, nachgerade die im Bett, es ist schließlich ein Lied von Prince, so zu befriedigen verstünde.
Darüber denkt er nach. Aber er denkt es nicht zu Ende. Er weiß nur, dass es stimmt: Sie braucht einen anderen Liebhaber.
Sie weiß davon gar nichts. Sie nimmt ihren Chefsalat in Empfang und ihre Rhabarbersaftschorle, schön kühl und mit zwei Eiswürfeln, und schaut nach draußen. Es beginnt schon wieder zu regnen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!