Berliner Szene: Polizeiliche Begutachtung
Eine Deutsche
Berlin im Jahr 2000: An einem verschneiten Nachmittag warte ich mit einer dicken Webpelz-Mütze auf dem Kopf vor dem Eingang des S-Bahnhofs Zoologischer Garten auf eine Freundin, als sich zwei Polizisten von der Seite nähern und der eine zum anderen sagt: „Sieh dir die Mütze an, Olli. Eindeutig noch so ne Petruschka.“
Aus Neugier beschließe ich abzuwarten, was sie wollen. Der links Stehende sagt: „Ich weiß nicht. Die versteht uns doch. Guck mal, die guckt ganz kritisch.“ Der Rechte aber erwidert wild entschlossen: „Quatsch, die hat Schiss, das ist alles.“ Und dann rückt er entschieden ganz nah an mich heran und sagt: „Dokumiente!“ Und als ich nicht reagiere, noch einmal lauter: „Dokumiente!“
Ein Obdachloser, der eben noch leere Flaschen gesammelt hat, geht mit Blick auf die Polizisten vor mir einen großen Schritt nach links und murmelt: „Ich geh ja schon, ich geh ja schon ...“ Die beiden nehmen ihn nicht wahr. Sie warten mit Blick auf meine Hände, ob ich Anstalten mache, meine Dokumente zu suchen.
Ich sehe sie ungerührt an. Der unmittelbar vor mir stehende der beiden Polizisten geht ein Stück zurück und betrachtet mich nun von oben bis unten: „Passport please!“ Ich sehe ihm direkt ins Gesicht. Er sagt etwas irritiert: „Passport! ID! Pass, Papiere, Ausweis bitte!“ Ich beginne, nach meinem Portemonnaie zu kramen. Als ich meinen Personalausweis finde, halte ich ihn den beiden kommentarlos hin.
Der Rechte stammelt nun „Siehst du!“ in Richtung des Linken. Der Linke versucht sich, ohne dabei mit der Wimper zu zucken, mit den Worten zu entschuldigen: „Das tut uns jetzt sehr leid. Eine Deutsche wollten wir natürlich nicht aufhalten!“ Von meinem weiteren Schweigen verunsichert, fügt er hinzu: „Sie müssen verstehen, Ihre Mütze.“ Eva-Lena Lörzer
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