Berliner Szene: PartyBlau
Ausgehungert
Veranstaltungen mit Dresscode sind die Schwiegereltern unter den Partys. Immer hat man Angst, irgendwas falsch zu machen. „Dress in Blue“ steht auf der Einladung. In Blau? Jeansblau oder Glitzerpulliblau? Muss ich ein Kleid tragen? Besitze ich ein blaues Kleid?
Tagelang schicken Andrea und ich Bilder von Kleidungsstücken durch das Internet. Wir gehen zum „Prix Europa“, so einer Medienpreisverleihung, die einmal im Jahr stattfindet, die aber lustigerweise viele von meinem Journalistenfreunden gar nicht kennen. Die Feier steigt im Haus des Rundfunks. Der Paternoster ist abgeschaltet. So ein Jammer!
Als Erstes tritt ein Laudator auf die Bühne, der TTIP eine großartige Idee nennt. Raunen im Saal. Hinten ruft jemand „Lügner!“. Vielleicht wird das auch ohne Paternoster ein lustiger Abend!
Nachher gibt es Häppchen und Sekt. Wir sind so ausgehungert, dass wir die ganze Zeit im Slalom um die Stehtische hinter den Kellnern herrennen. Irgendwann haben sie kapituliert und kommen mit jedem Teller als Erstes zu uns, den beiden verfressenen Frauen.
Ich rede wahnsinnig viel Englisch mit vielen verschiedenen Leuten, trinke viel Sekt, noch mehr Bier und eine Apfelsaftschorle. Später ziehen wir in eine Kneipe in der Nähe um. Der Laden ist so vollgestopft mit Medienfuzzis, kein Kokskörnchen würde zwischen die blauen Kleider und Anzüge passen. Die Menschen in der Kleidung sind auch blau mittlerweile. Die Mädels hinterm Tresen machen den Umsatz ihres Lebens. Ich würde ja gerne Radler trinken, aber haben Sie schon mal versucht, einen Iren dazu zu bringen, ein mit Limonade gemixtes Bier zu bestellen? „How disgusting“, sagt er, „no way“, dreht sich um und ruft: „Two beer, please!“
Ich hatte solche Kopfschmerzen am nächsten Tag!
Lea Streisand
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