Berliner Startup „Tame“: Das Google für Twitter

Jede Sekunde etwas Neues. Das ist Twitter. Die wichtigsten Tweets gebündelt zu Geschichten. Das ist Tame. Ein Berliner Startup hat es entwickelt.

Ordnet das unordentliche Twitter: Frederik Fischer, Geschäftsführer von Tame. Bild: dpa

BERLIN dpa | Zum Büro von Tame führt der Weg durch den Hinterhof des Gründerhauses in Berlin-Mitte. Laminierte Schilder weisen den Weg: Die Treppe hoch, vorbei an den Büros anderer Startups und den alten naturwissenschaftlichen Gerätschaften, die von der universitären Vergangenheit der Unterkunft zeugen.

„Die funktionieren sogar noch“, erklärt Frederik Fischer im Vorbeigehen. Der 32-Jährige ist Geschäftsführer von Tame. Das Startup ist noch nicht ganz ein Jahr alt, gerade liegt ein frischer Relaunch hinter ihm.

Tame ordnet die Tweets aus der eigenen Timeline in drei Kategorien: Einmal nach Inhalten, das heißt nach den geteilten Links. Die zweite Kategorie, die Themen, sortiert nach den verwendeten Hashtags. Und die dritte Kategorie, die Nutzer, zeigt die am häufigsten erwähnten User. Das Besondere ist, dass die Tweets immer gleich gebündelt und im Kontext erscheinen.

Im Kontext, das bedeutet für die Inhalte, dass sie eine Kurzbeschreibung zum jeweiligen Link enthalten. Der oftmals kryptische Hashtag wird mit einer Definition von tagdef.com erläutert. Der jeweilge Nutzer wird samt Profilbeschreibung angezeigt.

Fast nur im Minuten- und Stundentakt

„Es reicht einfach nicht nur Inhalte anzuzeigen“, sagt Fischer. Die Timeline bei Twitter tut aber genau das: Ständig fließen neue Tweets ein. Die Übersicht zu behalten, fällt so schwer. Tame will deshalb die wichtigsten News der letzten 24 Stunden bündeln.

Ihr Dienst sei so ähnlich wie Google News, erklärt Fischer. Dort werden ebenfalls die wichtigsten Themen nach einem Ranking auf die Seite gestellt, die Nachrichten fließen nicht rein chronologisch ein.

„Wir wollen uns als das Google für Twitter etablieren“, sagt Fischer. Aber als eine aktuellere Version der Suchmaschine, heben die Gründer hervor. Denn bei Google News fehlen häufig die Nachrichten aus den letzten Stunden – bei Twitter läuft die Zeitrechnung fast nur im Minuten- und Stundentakt.

Mit ihrem Dienst sprechen die drei Gründer Frederik Fischer, Torsten Müller (30) und Arno Dirmlan (26) vor allem diejenigen an, die bei Twitter gezielt nach den neuesten Geschichten suchen: Journalisten, Politikberater – jede Berufsgruppe, die schnell aktuelle Informationen braucht. „Dieses Gefühl, dass man die wichtigsten Dinge mitgekriegt hat, ist für Journalisten total wichtig“, sagt Fischer.

Mehrere Tausend User aus etwa 70 Ländern

Er und Mitgründer Torsten Müller sollten es wissen: Die beiden sind Journalisten. Sie haben sich während ihres Studiums in Dänemark kennengelernt. Dort entstand auch ihre erste Idee, ein Instrument zu entwickeln, mit dem Journalisten die Qualität von Quellen im Netz besser bewerten können.

Die Idee entwickelte sich weiter – beziehungsweise zurück, denn Tame setzt nun einige Schritte vor dem Verifizieren von Quellen an: Das Ranking schafft erst einmal Ordnung, die Zusatzinformationen über Links, Hashtags und Anwender mehr Transparenz.

Mittlerweile hat Tame mehrere Tausend User aus etwa 70 Ländern weltweit, rund 1.000 bis 1.500 davon seien Journalisten, sagt Fischer. Für diejenigen, die Tame nicht nur zu Privatzwecken, sondern mittels der Listensuche für ihre Recherche nutzen, haben die Gründer seit Anfang August ein Bezahlsystem entwickelt. Die reine Timeline-Analyse ohne Listen bleibe aber umsonst, versichern die Gründer.

„Die Erfahrung sammelt man Stück für Stück“

Tame hat bereits eine rasante Entwicklung hinter sich. Am Anfang sah es nicht unbedingt danach aus: Als die Gründer ihr Produkt verschiedenen Verlagen vorstellen, stoßen sie zwar auf anfängliches Interesse – aber dabei bleibt es dann auch. Irgendwann haben es Fischer, Müller und Dirlam satt zu warten, dass ein großer Verlag mit ihnen zusammenarbeitet, und machen ihr eigenes Ding.

Mit dem Thema Firmengründung hatten die drei vorher nur bedingt Erfahrung. Müller saß während eines Praktikums in einer kleinen PR-Agentur immerhin nah an den Chefs und konnte sich in Sachen Unternehmensführung etwas abgucken. „Man muss vor der Gründung keine Angst haben“, sagt er heute. „Die Erfahrung sammelt man Stück für Stück.“ Auch die, dass sie sich am Anfang zu viel vorgenommen hatten: Ein Instrument zum Verifizieren von Quellen und Tame, beides ging nicht.

Mittlerweile läuft es aber rund. Über Crowdfunding hat Tame Tausende Euro eingenommen. Außerdem unterstützen die Investitionsbank Berlin und das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie das Startup mit einem Gründerstipendium.

In den vergangenen Monaten kamen auch Medienkooperationen hinzu: Cicero.de und heute.de arbeiten nun mit Tame zusammen. Im Herbst folgt dann der nächste Schritt: Drei Monate lang beziehen die drei Tame-Gründer abwechselnd ein Büro in San Francisco, um den Markteintritt in den USA vorzubereiten. Dass sie dabei im gleichen Gebäude wie Twitter sitzen, kann bestimmt nicht schaden.

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