Berliner Stadtschloss: Der Bund baut sich ein Luftschloss
Bei der Planung des Schlossreplikats hat der Bund mächtig geschlampt. Franco Stella hätte den Bauauftrag nicht bekommen dürfen
Bei dem Architektenwettbewerb für das Stadtschloss hat sich der Bund gleich eine ganze Serie von Schlampereien, Pannen und Rechtsbrüchen geleistet. Das ergibt sich aus der 54-seitigen, der taz vorliegenden Begründung der Entscheidung, mit der die Vergabekammer beim Bundeskartellamt den Vertrag mit dem italienischen Architekten Franco Stella am Freitag für nichtig erklärte.
Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, das dem Bauministerium von Wolfgang Tiefensee (SPD) unterstellt ist, hatte Stella im Juni mit der Planung des Baus beauftragt. Die Kammer wirft dem Bundesamt vor, die vorgeschriebene Prüfung von Stellas Eignung unterlassen zu haben und Zweifel daran beiseitegewischt zu haben. In der Begründung der Entscheidung heißt es: "Alle Feststellungen, die seitens des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung getroffen wurden, sprechen gegen die Leistungsfähigkeit von Franco Stella."
Das Bundesverkehrsministerium hatte am Freitag erklärt, es werde in die nächste Instanz vor das Oberlandesgericht Düsseldorf zu ziehen. Angesichts der vielen Fehler während des Verfahrens, die die Vergabekammer auflistet, ist es jedoch schwer vorstellbar, dass der Bund das Verfahren noch gewinnen könnte. Der von der Behörde abgeschlossene Vertrag mit Stella hat laut Vergabekammer "den Charakter eines Scheinvertrags", weil relevante Leistungen in Wirklichkeit von einer Projektgesellschaft mit zwei anderen Architekturbüros erbracht werden sollen. So sei bereits "die Konstruktion der Projektgesellschaft als solche vergaberechtswidrig". Die Kammer zeigt anhand interner Unterlagen aus dem Bundesamt, dass auch in der Behörde "massive Zweifel an der Homogenität und an der Fähigkeit dieses Teams" bestehn, auch wirklich zusammenzuarbeiten und die für den Projekterfolg notwendigen Planungs- und Koordinierungsleistungen erbringen zu können".
Zudem gab es weitere Verfahrensfehler. So habe der Bund es versäumt, die unterlegenen Architekten formal darüber zu informieren, dass ein Vertrag mit Stella abgeschlossen werden soll. Und dann kommt auch noch Schluderigkeit hinzu: Die Vergabekammer wirf dem Bundesamt vor, es habe "keine ordnungsgemäße Dokumentation" angelegt: "Die Vergabeakte besteht weitgehend aus einem Konglomerat von E-Mails und genügt weder formal noch inhaltlich den Anforderungen."
Am 21. Dezember 2007 hatte der Bund den Architektenwettbewerb für das Schloss im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung hatte dabei bestimmte Anforderungen gestellt: "Dabei ist erforderlich, dass entweder der Umsatz mit Planungsleistungen im Durchschnitt der Jahre 2004 bis 2006 mindestens 300.000 Euro betrug oder das Büro im Durchschnitt der Jahre 2004 bis 2006 aus mindestens vier Büroinhabern und festangestellten Architekten bestand." Stella hatte auf den Teilnahmeunterlagen angegeben, dass er genug Mitarbeiter habe.
Im November 2008 entschied eine Jury, Stella erhielt den ersten Preis. Das Bundesamt hatte in der Ausschreibung allerdings ausdrücklich festgelegt, dass der Gewinner nicht auch zwingend mit der Bauplanung beauftragt werden muss. Doch als Stella gewann, war politisch gewollt, dass er den Entwurf auch selbst umsetzen kann. Die Vergabekammer schreibt: "Folglich hätte das Bundesamt hier prüfen müssen, ob Franco Stella im Zeitraum 2004 bis 2006 auch wirklich über die in der Bekanntmachung geforderte Mindestanzahl" an Mitarbeitern verfügte. Dazu müsse das Bundesamt "geeignete Nachweise" einholen, etwa über die gezahlten Sozialversicherungsbeiträge. Doch das passierte nicht - das Bundesamt hatte einfach das geglaubt, was Stella in dem Bewerbungsbogen angegeben hatte.
Dabei hatte die Behörde intern längst hinterfragt, ob Stella geeignet ist. Der hatte laut den internen Unterlagen der Behörde, aus denen die Vergabekammer ausführlich zitiert, Gespräche zum Planungsstand wegen "Überlastung" abgesagt und schriftliche Fragen zum Teil nicht beantwortet. In einer E-Mail des Amtes an Stella heißt es, dass "innerhalb Ihres Projektteams Schwächen deutlich werden und die notwendigen Kapazitäten offensichtlich nicht verfügbar sind". Der Behördenmitarbeiter schrieb an Stella, er komme "an dieser Stelle nicht umhin, Ihnen meine Sorge über den aktuellen Planungsstand und ihre derzeitige Projektorganisation mitzuteilen". Es bestünden "Zweifel, ob Sie innerhalb des bekanntermaßen engen Terminplans eine große Zahl professioneller und überwiegend eingespielter Ingenieurbüros kurzfristig mit belastbaren Planunterlagen versorgen" können.
Die Architekturbüros Gerkan, Mark und Partner ("gmp") sowie Hilmer, Sattler und Albrecht sollten Stella unterstützen. Doch es war viel mehr als das: Die Vergabekammer stellt fest, dass alle in dem Vertrag mit Stella genannten Verantwortlichen den beiden anderen Büros angehören. Stellas "Einfluss auf die Projektabwicklung ist nur noch sehr mittelbar". Das sei nicht zulässig.
Die Vergabekammer hat auch eine Erklärung, wie es so weit kommen konnte. Denn in der Öffentlichkeit war Stella längst als Planer des prestigeträchtigen Projektes bekannt gegeben. Die Behörde habe sich "selbst unter Zugzwang gesetzt", schreibt die Kammer, und das Verfahren "hat so möglicherweise eine gewisse Eigendynamik entwickelt". Weiter heißt es: "Das ändert aber nichts daran, dass das Bundesamt (...) die Eignung von Franco Stella nicht bejahen durfte."
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