Berliner Sekundarschul-Reform: Eltern überwiegend reformwillig
Die Anmeldezahlen an den Oberschulen zeigen: Der erwartete Ansturm auf die Gymnasien bleibt aus. Bildungssenator Zöllner: Die neue Sekundarschule ist akzeptiert.
Der Run auf die Gymnasien ist ausgeblieben: Trotz veränderter Oberschullandschaft haben die Eltern in der am Freitag zu Ende gegangenen zweiwöchigen Anmeldefrist der Oberschulen für das kommende Schuljahr nicht stärker als sonst aufs Gymnasium gesetzt.
Laut Senatsbildungsverwaltung wurden 45 Prozent der derzeitigen SechstklässlerInnen an Gymnasien, 55 Prozent an den neuen Sekundarschulen angemeldet. Dies entspricht dem Anmeldeverhalten des Vorjahres, als es statt der Sekundarschulen noch Haupt-, Real- und Gesamtschulen gab. Auch das waren rund 45 Prozent der GrundschulabgängerInnen auf Gymnasien angemeldet worden.
Kritiker der Oberschulreform des Senats und auch Eltern hatten erwartet, dass der Umbau der Schulstruktur zu einer verstärkten Nachfrage nach Gymnasialplätzen führen würde. Viele Eltern würden die neue und bislang unerprobte Sekundarschule, an der SchülerInnen verschiedener Leistungsniveaus gemeinsam lernen sollen, aus Angst oder Verunsicherung meiden, so die Befürchtung.
Doch selbst traditionell stark nachgefragte Gymnasien melden keinen erheblichen Nachfrageanstieg. 210 Anmeldungen etwa hat in diesem Jahr das Kreuzberger Leibniz-Gymnasium: Laut Schulleiter Reinhard Wonneberg "etwa die gleiche Größenordnung wie im vergangenen Jahr". Einen leichten Anstieg der Anmeldungen verzeichnet das ebenfalls sehr beliebte John-Lennon-Gymnasium in Mitte. Schulleiter Jochen Pfeifer führt das jedoch eher auf einen wachsenden Zulauf aus dem kinderreichen Nachbarbezirk Pankow zurück als auf die Schulreform: "Wäre die Angst vor der Sekundarschule das Motiv der Eltern, hätten wir auch einen Anstieg von Bewerbungen realschulempfohlener Kinder", so Pfeifer. Dies sei aber nicht der Fall.
Mehr Gymnasialanmeldungen als vorhandene Plätze gibt es erstmals im Bezirk Neukölln. Für rund 60 SchülerInnen gibt es keinen Platz. Sie würden wahlweise an Sekundarschulen im Bezirk oder an Gymnasien außerhalb untergebracht, so Bezirksbildungsstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD).
Das Anmeldeverhalten zeige, dass die Reform gut ankomme, resümiert Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD). Die Kapazität der Gymnasien reiche weiterhin aus, um allen Kindern mit diesem Schulwunsch einen entsprechenden Platz anzubieten.
Kritik kommt dagegen vom Landeselternausschuss (LEA). Der Senat habe Eltern, die ihre Kinder aufs Gymnasium schicken wollten, "gezielt verunsichert", sagt René Faccin vom LEA-Vorstand. Der Schulsenator habe kurz vor Beginn der Anmeldephase eine Debatte um die höhere Anzahl von Unterrichtsstunden und abiturrelevanten Pflichtkurse in der auf zwei Jahre verkürzten Oberstufe des Gymnasiums begonnen. Damit habe Zöllner Eltern "gezielt verunsichert", sagt Faccin.
An Gymnasien steht die Abiprüfung schon nach zwölf Jahren an. An der neuen Sekundarschule kann das Abitur auch künftig weiterhin nach 13 Jahren abgelegt werden. Für die nötigen Kurse und Unterrichtsstunden in der Oberstufe bleibt somit ein Jahr mehr Zeit. Zöllner habe sich "jahrelang nicht zur Organisation der zweijährigen Oberstufe geäußert", so Faccin. Dass ausgerechnet zu dem Zeitpunkt zu tun, sei kein Zufall, sondern "Panikmache" gewesen.
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