Berliner Platten : Prototypisches Rap-Design, mal antagonistisch gesehen: Reen versucht sich an einem weiteren Comeback, und Prinz Porno frönt weiter der Pubertät
Gute Gelegenheit, das Spektrum abzuschreiten, das der deutsche HipHop mittlerweile abzudecken in der Lage ist: Old School vs. Neue Deutsche Härte, Ex-Kölner Immigranten-Kind vs. überzeugten Zehlendorfer, ehemaliger Mediendarling vs. Möchtergern-Frauenliebling – tatsächlich wirken Reen und Prinz Porno wie Prototypen für Rap-Entwürfe, die sich antagonistisch gegenüber stehen.
Rene El-Khazraje nannte sich früher MC Rene, hat im Musik-Fernsehen moderiert und war bei einer großen Plattenfirma unter Vertrag. Mittlerweile arbeitet er mit eigenem Indie-Label, aber seine Reputation in der Szene hat sich im Laufe der Jahre trotzdem vom hoffnungsvollen Freestyle-Talent zur lächerlichen Figur gewandelt – weil, wie es Kollegen wohl formulieren würden, mancher Karriere-Move bisweilen zweifelhaft war, oder weil er, ist man freundlicher, sich treu geblieben ist und dem Massengeschmack nicht beugen wollte.
Mit „Der letzte Marokkaner“, deklariert nicht als neues Album, sondern als genretypisches Street-Tape im CD-Format, versucht er sich zum wiederholten Male an einem Comeback. Über meist recht entspannt groovenden Beats rechnet er ab mit der ungleich erfolgreicheren Konkurrenz („Machst auf bling-bling, denkst du machst Glamour-Rap, steckst in deim Ding drin, du machst nur Penner-Rap“), arbeitet sich ab an „Deutschland sucht den Superstar“, warnt die Geschlechtsgenossen vor hinterhältigen Frauen und möchte Sarah Connor „knallen“, um einen Skandal auszulösen. Man merkt also: Im Vergleich zu seinen letzten Veröffentlichungen, die mitunter skurril bis zur Unverständlichkeit geraten waren, versucht Reen sich wieder am eher traditionellen Rap-Geschäft. Die Frage ist nur, ob das ihn wieder zurückhaben will: Denn „Der letzte Marokkaner“ ist ehrenwert und technisch ungemein sauber gereimt und produziert, aber solche Qualitäten sind kaum gefragt, während sich die deutsche Ausgabe von Gangsta-Rap massenhaft verkauft.
In die erste Liga, da wo Savas, Sido und Bushido schon sind, dahin will auch Prinz Porno. Sein Ausstoß ist schon weltmeisterlich, drei, vier Alben pro Jahr keine Seltenheit für den 26-Jährigen. Zu früh kommt sie also nicht, die Best-Of-Compilation „Geschriebene Geschichte“, auf der sage und schreibe 40 Tracks meist nicht komplett ausgespielt werden können: Mal lernt sein Penis Karate, mal fantasiert er sich in eine Knast-Karriere, mal wird er von Außerirdischen entführt, mal kriegen Primaten und Illuminaten, Chinesen und natürlich Weiber ihr Fett ab, mal werden Gewaltfantasien durchdekliniert, und „weil mir HipHop nicht mehr reicht, werde ich Bundeskanzler“. Das sind schöne Aussichten, das ist manchmal sogar lustig und meist gut gereimt, das findet hin und wieder gar über flotten Beats statt, ist aber nicht selten schlicht geschmacklos: „Von Helsinki bis Nizza ficke ich mich durch Europa und ende dann in Russland, genauso wie mein Opa.“ Sollen wir jetzt die Nazi-Keule schwingen? Ach nee, die Pubertät ist ’ne schlimme Zeit – vor allem wenn sie so lange dauert. THOMAS WINKLER